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Wut und Furcht lösen häufig Social Media-Debatten aus

Wiener Forscher haben herausgefunden, dass Wut und Furcht häufig Auslöser für Social Media-Debatten sind.
Wiener Forscher haben herausgefunden, dass Wut und Furcht häufig Auslöser für Social Media-Debatten sind. ©pixabay.com (Themenbild)
Wiener Forscher fanden in Analysen von Twitter-Reaktionen auf Anschläge heraus, dass Wut und Furcht am häufigsten Social Media-Debatten auslösen.

Dominieren in Twitter-Kurznachrichten die Emotionen Wut und Furcht, ist die Wahrscheinlichkeit am größten, damit eine Social-Media-Diskussion anzuregen. Das zeigten Wiener Forscher in groß angelegten Analysen von Online-Reaktionen auf Amokläufe und Anschläge. Während in ersten Reaktionen oft negative Emotionen die Postings dominieren, werden diese später teils von positiveren Tweets abgelöst.

Das Forschungsteam um Ema Kusen und Mark Strembeck vom Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien wählte für seine im Fachjournal “Applied Network Science” erschienene Studie fünf tragische Ereignisse als Untersuchungsobjekte aus: Einen Amoklauf mit fünf Toten in Nordkalifornien im November 2017, die Geiselnahme in einem Supermarkt im französischen Trebes, die im März 2018 ebenfalls fünf Todesopfer forderte, ein Amoklauf am Google-Hauptsitz in Kalifornien im darauffolgenden Monat, die Amokfahrt in Münster mit drei Toten im April vergangenen Jahres sowie der Amoklauf an einer Schule in Santa Fe (USA) im Mai 2018 mit zehn Toten und vielen Verletzten.

Emotionen wie Freude oder Traurigkeit in Twitter-Kommunikation unbeantwortet

Den Emotionsgehalt von Beiträgen schätzten Kusen und Strembeck mit in der psychologischen Forschung etablierten Word-Emotion-Lexika ab. Diesen Ansatz erweiterten sie schon in vorhergehenden Studien, unter anderem indem sie Versuchspersonen darüber hinaus den Emotionsgehalt von Postings einschätzen ließen. Nun gingen sie der Frage nach, wie sich die tragischen Ereignisse auf das Kommunikationsverhalten der Twitter-Nutzer auf der Ebene struktureller Netzwerkmuster auswirken.

Zur Überraschung der Wissenschafter gingen persönliche Direktnachrichten zwischen den Nutzern fast nur dann hin und her, wenn im ursprünglichen Posting Furcht oder Wut dominierten. “Bei keiner anderen negativen oder positiven Emotion haben wir sonst bilaterale Kommunikationsbeziehungen gefunden”, sagte Strembeck im Gespräch mit der APA. Das lege den durchaus beunruhigenden Schluss nahe, “dass wenn jemand eine Nachricht verbreiten möchte – egal ob Propaganda, Fake News oder die Wahrheit – die Wahl hochemotionaler Inhalte, die Wut oder Furcht beinhalten, aus dessen Sicht eine Gute ist”.

Auf diese Weise ließen sich nämlich Antworten provozieren und indirekt die Nachricht selbst weiter verbreiten, wie die Studie nahelegt. Im Gegensatz dazu bleiben andere starke Emotionen wie Freude oder Traurigkeit in der bilateralen Twitter-Kommunikation in der Regel unbeantwortet. Das erkläre auch bis zu einem gewissen Grad, warum etwa politische Social Media-Kampagnen in den vergangenen Jahren vor allem dann erfolgreich waren, wenn sie auf Wut oder Furcht setzten. Hier könne man nun wissenschaftlich fundiert den Finger auf das Phänomen legen, so der Forscher.

Studie zeigt Hinweise auf “Undoing Hypothese”

Warum dem so ist, könne man noch nicht exakt beantworten. Im Gegensatz zur ebenso starken Emotion “Traurigkeit” gehen Wut und Furcht aber mit starker Erregung einher, die sich offenbar auch ihren Weg in die Social Media-Debatten bahnt. Diese schon in Offline-Experimenten beobachteten Erkenntnisse, findet man laut Strembeck auch in Hunderttausenden echten Twitter-Beiträgen wieder.

Im zeitlichen Verlauf betrachtet, zieht ein Amoklauf unmittelbar großteils Twitter-Nachrichten voller Wut, Traurigkeit und Furcht nach sich, bald danach werden Postings häufiger, in denen Mitgefühl oder Trost ausgesprochen werden. Das sei als Hinweis darauf zu werten, dass die sogenannte “Undoing Hypothese” zutreffe. Diese besagt, dass Menschen vielfach versuchen, positive Emotionen als eine Art “Gegenmittel” gegen negative Emotionen einzusetzen.

(APA/Red)

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