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Wohnkostenhilfe: Wifo-Chef kritisiert "Gießkanne"

Wifo-Chef Felbermayr kritisiert die Wohnkostenhilfe.
Wifo-Chef Felbermayr kritisiert die Wohnkostenhilfe. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Die von der Regierung am Mittwoch präsentierte Wohnkostenhilfe wird auch von Wifo-Chef Felbermayr kritisiert. Die Maßnahme heize die Inflation zusätzlich an, so der Ökonom im "Ö1-Morgenjournal". Wirtschaftsminister Kocher verteidigte den Zuschuss.
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Es sei jedoch höchste Zeit, aus der "Inflationsanpassungsautomatik" auszusteigen. Mit einer Preisbremse bei den Richtwertmieten wäre ein entsprechender Einstieg möglich gewesen, kritisierte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Donnerstag im "Ö1-Morgenjournal".

Wifo-Chef Felbermayr: Regierung hat bei Mieten Chance verpasst

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts bemängelte, dass bei dem Zuschuss erneut die "Gießkanne" zum Einsatz komme. So werde der Zuschuss auch an Personen ausbezahlt, die gar keine höheren Mieten zu bestreiten haben. Und: "Die 250 Millionen Euro, die jetzt zusätzlich ausgegeben werden, die hat der Staat nicht." Das Geld müsse wieder an den Kapitalmärkten aufgenommen werden. "Das wirkt sicher nicht inflationsdämpfend. Sondern führt eben weiter Elemente in die Nachfrage hinein, was am Ende die Preise eher nach oben treibt."

օsterreich-Schnitt und Wien - Entwicklung seit 2008 ©APA

Irgendwo aber müsse man anfangen, so Felbermayr mit Blick auf die zweistellige Teuerungsrate, da sonst "ein Verlust der preislichen Wettbewerbsfähigkeit mit dem Ausland" drohte. Eine dauerhaft hohe Inflation schwäche außerdem den sozialen Zusammenhalt und dämpfe das Wirtschaftswachstum. "Das sind Dinge, wo wir dringend entgegensteuern müssen." Die Regierung habe bei den Mieten eine Chance verpasst.

Kritik an Wohnkostenhilfe auch von Fiskalrat-Präsident Badelt

Für Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt entbehrt der Wohnkostenzuschuss als Einmalzahlung der Logik. Er sei keine nachhaltige Hilfe, belaste aber trotzdem das Budget. "Es geht darum, Menschen, die trotz Dynamisierung von Löhnen und Sozialleistungen nicht genug zum Leben haben, zu unterstützen", schrieb Badelt auf Twitter.

Wohnkostenhilfe wird auch von Opposition, AK und ÖGB kritisiert

Mit heftiger Kritik reagierten gestern auch die Oppositionsparteien auch im Finanzausschuss, von Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB) kam laufend heftige Kritik am türkis-grünen Vorgehen. Es handle sich um "ein Versagen der Bundesregierung", dass nichts gegen die "Mietexplosion von 8,6 Prozent" gemacht werde, bemängelte Ruth Becher (SPÖ) im Finanzausschuss. Wenige Haushalte würden nun rund 200 Euro an Einmalhilfen erhalten, es sei jedoch wichtiger, die Teuerung "einzufangen". Gerhard Kaniak (FPÖ) sprach laut Parlamentskorrespondenz von "Husch-Pfusch-Anträgen" und nicht nachhaltigen Einmalmaßnahmen. Positiv sei, dass die Regierungsparteien nun das Problem der Unleistbarkeit des Wohnens erkannt habe. "Wir schaffen damit eine zielgerichtete Maßnahme für jene Personen, die durch die Teuerung in Not geraten sind", unterstrich Johann Singer (ÖVP).

Für Karin Doppelbauer (NEOS) ist der Wohnkostenzuschuss zwar besser als eine Mietkostenbremse, das Konzept der Einmalzahlungen sei aber zumeist "ein Tropfen auf den heißen Stein". "Es braucht nachhaltige Lösungen, damit sich die Menschen selbst helfen können", forderte Doppelbauer.

Kampf gegen Inflation muss laut Wifo-Chef politische Priorität werden

Grundsätzlich sei es in der Anfangsphase der Teuerungskrise richtig gewesen, die Bevölkerung über Direktzahlungen zu entlasten und nicht zu stark in die Märkte etwa einzugreifen. "Da ging es darum, dass die Preissignale bei den Menschen ankommen. Es war wichtig, dass Anreize da sind, zum Beispiel Gas einzusparen." Mittlerweile sei aber ein Umdenken in Richtung Stabilitätspolitik vonnöten. Es gehe darum, "dass wir diese Inflation nicht von einem Jahr ins nächste weiterschleppen". "Das musst jetzt zu einer politischen Priorität werden."

Generell forderte der Wifo-Chef vor dem Hintergrund der vielen aus Steuergeld finanzierten Hilfen einen "Regimewechsel". "Es steht sehr viel auf dem Spiel", meinte Felbermayr.

Wirtschaftsminister Kocher verteidigt Wohnkostenhilfe

Wenig Verständnis für die Kritik äußerte Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP). Mit der Wohnkostenbeihilfe könne man "mehr Menschen helfen" und "viel treffsicherer agieren" als mit einer Änderung des Richtwertmietsatzes, so Kocher am Rande einer Pressekonferenz. Als "völlig abgehoben" wiederum bezeichnete die Kritik gestern der ÖVP-Abgeordnete Andreas Ottenschläger, der in einer Mitteilung ebenso von einer treffsicheren und sozial gerechten Maßnahme sprach. Prinzipielle Zustimmung kam ferner von der Caritas.

Grüne über fehlende Mietpreisbremse enttäuscht

Die türkis-grüne Regierung hatte sich am Mittwoch auf ein 250 Mio. Euro schweres Hilfspaket verständigt, nachdem mehrere Wochen lang über eine Mietpreisbremse diskutiert worden war. Nach diesem von den Grünen angedachten Modell hätten die anstehenden Mieterhöhungen per 1. April (Neuverträge) beziehungsweise 1. Mai (Bestandsverträge) abgedämpft bzw. die Steigerungen auf mehrere Jahre aufgeteilt werden sollen. Nun erhöhen sich die Mieten wie gesetzlich vorgesehen aber doch - den Mieterinnen und Mietern steht eine Steigerung von 8,6 Prozent ins Haus.

Die Wohnkostenhilfe, die für Haushalte als eine zu beantragende Einmalzahlung konzipiert ist, wurde heute im Finanzausschuss beschlossen - mit Stimmen von ÖVP und Grünen. Trotz seiner Zustimmung blieb der kleine Koalitionspartner aber dabei, dass er die Mietpreisbremse für die bessere Option halte. Sie bedauere, dass es nicht möglich gewesen sei, sich innerhalb der Koalitionsparteien auf eine Mietkostenbremse zu einigen, zeigte sich Nina Tomaselli (Grüne) im Finanzausschuss laut Parlamentskorrespondenz enttäuscht.

(APA/Red)

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