Wissenschafter beobachteten springende Atome durch Festkörper
Was auch für die Materialforschung und -entwicklung von Bedeutung ist, konnten Wissenschafter um den Physiker Gero Vogl (Universität Wien) nun erstmals im Detail, auf Atomebene beobachten. Die Studie wurde in der jüngsten Online-Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift “Nature Materials” veröffentlicht.
Bei Temperaturen nahe dem Schmelzpunkt, aber durchaus noch in der festen Phase können etwa Blei-Atome milliardenfach pro Sekunde springen, erklärte dazu Vogl im Gespräch mit der APA. Bei Raumtemperatur sind die Sprünge wesentlich seltener, bis sie mit weiter abnehmender Temperaturen fast völlig aufhören.
Verschiedenste Eigenschaften von Werkstoffen beruhen auf der richtigen Verteilung von Fremdatomen. “Das Spektrum reicht dabei von der Festigkeit metallischer Gegenstände wie Essbesteck oder Automotoren bis zu Eigenschaften von Halbleitern in all den elektronischen Geräten, die wir unablässig benützen”, so die Wissenschafter. Die gewünschte Verteilung wird durch Diffusion der Fremdatome unter kontrollierten Produktionsbedingungen, insbesondere unter kontrollierten hohen Temperaturen nahe dem Schmelzpunkt, erreicht.
Umgekehrt können solche maßgeschneiderten Werkstoffe aber durch das Springen von Atomen altern und die gewünschten Eigenschaften langsam verlieren. Bei Umgebungstemperaturen von rund 20 Grad dauert es entsprechend lange, bei 200 bis 300 Grad altern die Werkstoffe oft schon innerhalb von wenigen Jahren.
Bisherige Methoden zur Untersuchung des Atom-Springens in Feststoffen arbeiteten beispielsweise mit radioaktivem Material, das langsam durch eine Probe diffundiert. Auf die Atom-Ebene gelangten solche Beobachtungen allerdings nicht.
Der Durchbruch gelang Vogl und seinem Team durch den Einsatz von Synchrotron-Röntgenstrahlung. Diese unterscheidet sich von der normalen Röntgenstrahlung durch die sogenannte Kohärenz. Diese bewirkt eine Übereinstimmung der Wellenberge und Wellentäler der Röntgenstrahlung, wie sie bisher nur bei Laserlicht erzielt worden ist. Beim Durchleuchten eines Werkstücks stört jedes Springen eines Atoms diese Kohärenz, so wird die Sache auf Atom-Ebene mess- und beobachtbar.
In ihrem Experiment konnten die Wiener Forscher durch Verfolgen der zeitlichen Änderung der an einer Kupfer-Gold-Legierung gestreuten Röntgenstrahlung feststellen, dass bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen von 270 Grad jedes Atom etwa einmal pro Stunde von einem Platz zu einem anderen springt.