Wikinger navigierten mit "Sonnenstein"

Einer am Mittwoch von der britischen Royal Society veröffentlichten Studie zufolge nutzten die legendären Seefahrer vermutlich sogenanntes Kalkspat, um die genaue Position der Sonne auszumachen und sich daran zu orientieren. Ein solcher Stein, auch Calcit genannt, war kürzlich in einem vor der britischen Insel Anderley geborgenen Schiffswrack aus dem 16. Jahrhundert gefunden worden.
Bekannt ist, dass die Wikinger mit ihren Schiffen tausende von Kilometern in Richtung Island und Grönland zurücklegten und vermutlich lange vor Christoph Kolumbus Amerika entdeckten. Doch ihre Fähigkeit, selbst unter sehr ungünstigen Umständen – etwa in der Polarnacht oder bei Schneesturm – ohne Kompass so lange Entfernungen zurückzulegen, gab Forschern bisher ein Rätsel auf. Ein Team von französischen, kanadischen und US-Forschern meint nun, die Antwort zu kennen.
Kalkspat als “optischer Kompass”
Der Kalkspat sei ein transparenter Stein, der in Skandinavien häufig vorkomme, erläutert Guy Ropars von der Universität Rennes in der Bretagne. Wer durch Kalkspat blicke, sehe zwei unterschiedliche Bündel des Sonnenlichts, einen “ordentlichen und einen außerordentlichen Strahl”. Durch Drehen des Steins, der wegen dieser zweifachen Brechung der Lichtbündel auch Doppelspat genannt wird, könne eine Position erreicht werden, in der die Intensität beider Lichtbündel identisch sei. In diesem Moment zeige der Kristall genau die Richtung der Sonne an. Selbst bei geringem Sonnenlicht sei es möglich, mit Hilfe des transparenten Steins die Position der Sonne zu bestimmen.
Nach Überzeugung der Forscher haben die Wikinger diese Methode auch noch verwendet, nachdem der Kompass erfunden wurde. Denn dessen magnetische Wirkung konnte vom Metall in den Schiffen – etwa den Kanonen – beeinträchtigt werden. Die “Sonnensteine”, die sozusagen als optische Kompasse verwendet wurden, seien daher für die Wikinger lebenswichtig gewesen.