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Wiener Terroranschlag: #schleichdiduoaschloch prägte kollektive Erinnerung

Forscher analysierten den Hashtag #schleichdiduoaschloch.
Forscher analysierten den Hashtag #schleichdiduoaschloch. ©REUTERS (Symbolbild)
Der Hashtag #schleichdiduoaschloch hat in Österreich die kollektive Erinnerung an den Terroranschlag in Wien am 2. November 2020 maßgeblich geprägt.
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Dies ergab eine Analyse von Forschern der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Beiträge auf der Plattform Twitter (jetzt X) untersucht haben. Die Untersuchung zeigte, dass in den Twitter-Diskussionen vor allem positive Narrative über die Gemeinschaft und das Gedenken an die Opfer dominierten. Hingegen wurden kaum islamfeindliche oder fremdenfeindliche Inhalte festgestellt. Diese Erkenntnisse wurden im Fachjournal "Social Media & Society" veröffentlicht.

Sympathisant des IS tötete vier Menschen in Wien

Vor drei Jahren hatte ein Sympathisant des IS in der Wiener Innenstadt vier Menschen getötet und 23 weitere verletzt, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Die Tat löste eine intensive mediale Berichterstattung aus, insbesondere auf Twitter. Die Forscher Martin Tschiggerl und Marcella Tambuscio von der ÖAW analysierten rund 250.000 Tweets über den Anschlag in den Tagen und Wochen nach dem Ereignis. Ihr Ziel war es, zu verstehen, wie sich die kollektive Erinnerung sowohl in Österreich als auch international entwickelte.

Die Ergebnisse der quantitativen Netzwerkanalyse zeigten, dass der Hashtag #schleichdiduoaschloch, der in der Nacht des Anschlags entstanden war, sich innerhalb der ersten 48 Stunden im deutschsprachigen Raum als zentrales Narrativ der Erinnerung etablierte. Dieser Hashtag beeinflusste die Diskussionen in den folgenden Wochen und Monaten sowie am ersten Jahrestag des Ereignisses maßgeblich. Er wurde nicht nur auf Twitter verwendet, sondern fand auch in der physischen Welt Anwendung, beispielsweise auf T-Shirts, Graffitis und Transparenten. Die Forscher beschrieben diesen Hashtag als eine Art "Meme", da er sich aufgrund seiner authentisch wienerischen Herkunft und passenden Formulierung rasch verbreitete.

#schleichdiduoaschloch prägte kollektive Erinnerung

Der Historiker Martin Tschiggerl erklärte, dass es zwar Gerüchte gab, wonach jemand dem Attentäter diesen Satz aus einem Fenster heraus zugerufen haben soll, aber es existierte kein Video, das diese Behauptung bestätigte. Es gab nur ein Video, in dem jemand "Oaschloch" rief. Daher bezeichnen die Forscher dies als einen "erinnerungspolitischen Mythos".

Eine überraschende Erkenntnis der Studie war, dass der Anschlag in Wien vor allem positive Narrative über die Gemeinschaft und das Gedenken an die Opfer hervorrief. Der Hashtag #schleichdiduoaschloch wurde zu einem Symbol für den Zusammenhalt in Wien. Im Gegensatz dazu waren islamophobe oder fremdenfeindliche Inhalte äußerst selten und spielten in den österreichischen Twitter-Netzwerken aufgrund ihrer geringen Reichweite keine nennenswerte Rolle. Dies wurde vor allem auf die soziale Zusammensetzung der österreichischen Twitter-Nutzer zurückgeführt, die als eher liberal und wissenschaftlich interessiert beschrieben wurde.

International hingegen überwogen in den Reaktionen auf Twitter die islamophoben und fremdenfeindlichen Inhalte. In den sozialen Medien wurden auch Hashtags wie #viennaattack, #prayforvienna und #0211w verwendet, wodurch der Anschlag in Wien in bereits bestehende kollektive Erinnerungen an andere Terroranschläge integriert wurde. Dies führte dazu, dass der Anschlag Teil anderer politischer oder ideologischer Konflikte wurde. Solche Tweets kamen hauptsächlich aus Städten, die ähnliche Anschläge erlebt hatten, wie Paris, Nizza und Barcelona.

Analyse zu #schleichdiduoaschloch

Besonders deutlich wurde dies im Fall Indien, wo die Nutzer den Anschlag in Wien ideologisch mit einer starken islamfeindlichen Konnotation und einer Gegnerschaft zu Pakistan verknüpften. Dies führte dazu, dass die Erinnerung an den Anschlag in Mumbai im Jahr 2008 wieder in den Vordergrund rückte. Die Forscher betonten, dass durch die Kombination von neuen Hashtags mit alten, die an vergangene Anschläge erinnerten, Erinnerungsnetzwerke mit starkem Bezug zur Gegenwart entstehen konnten.

Es ist wichtig anzumerken, dass aufgrund der aktuellen Beschränkungen von Twitter solche Studien nicht mehr in großem Umfang durchgeführt werden können, da Wissenschaftler seit der Übernahme von Elon Musk keine Tweets mehr in großen Mengen herunterladen können.

(APA/Red)

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