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Wiener Terror-Prozess gegen Kontaktmann fortgesetzt: Gutachten an der Tagesordnung

Anschlag in Wien - Terror-Prozess gegen Kontaktmann fortgesetzt.
Anschlag in Wien - Terror-Prozess gegen Kontaktmann fortgesetzt. ©APA (Symbolbild)
Am Donnerstag ist am Wiener Landesgericht der Prozess gegen einen Kontaktmann des Attentäters von Wien fortgesetzt worden. Der Angeklagte, der dem Attentäter das ideologische Rüstzeug geliefert haben soll, wurde von einem Gutachten des deutschen Islam-Wissenschafters und Terrorismus-Experten Guido Steinberg belastet.
Kontaktmann wird der Prozess gemacht

Laut Anklage hielt der 24-Jährige in einer eigens dafür angemieteten Wohnung in St. Pölten wöchentlich Treffen unter Gleichgesinnten ab, auf denen radikalislamistisches Gedankengut verbreitet wurde. Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten in diesem Zusammenhang die Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation zur Last. Konkret soll er in der Wohnung eine Bibliothek mit salafistischen Büchern aufgebaut und in Vorträgen die Ideologie der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat"( IS) vertreten haben. In diversen Chat-Kanälen wurden laut Anklage Inhalte geteilt, die direkt von der IS-Medienstelle kamen.

Islamismus-Kenner Steinberg erstellte Gutachten

Das untermauerte der Islamismus-Kenner Steinberg, der von der Staatsanwaltschaft mit der Erstellung von insgesamt drei Gutachten beauftragt worden war. Er beschrieb den Angeklagten als "aufstrebenden jihadistischen Prediger, der eine Lücke nutzt". Etliche dieser Spezies - etwa der zu 20 Jahren Haft verurteilte Mirsad O. alias Ebu Tejmar - befänden sich mittlerweile im Gefängnis, andere wären verstummt. Der IT-Techniker mit nordmazedonischen Wurzeln habe sich um Studienaufenthalte an einer islamistischen Universität in Saudi-Arabien und 2020 um einen Studienplatz in Mauretanien bemüht, "um nachher zum religiösen Anführer einer jihadistischen Gruppe in Österreich aufzusteigen", wie Steinbach darlegte. Er habe ein Netzwerk junger Männer albanisch-nordmazedonischer Herkunft um sich geschart und sei für diesen - darunter auch der spätere Attentäter - ein "Wissender" gewesen.

Weitere Zeugenaussagen im Terror-Prozess in Wien

Einige dieser junger Männer, die an den Treffen teilgenommen hatten, schilderten diese am Nachmittag als Zeugen übereinstimmend als harmlose Zusammenkünfte. "Es waren hauptsächlich Spieleabende", wurde behauptet. Um Religion sei es wenn, dann nur am Rande gegangen ("Es war mehr ein Brainstorming"), Vorträge hätten nicht stattgefunden, sondern "Fragerunden". Man habe gemeinsam gegessen, "viel gelacht und Spaß gehabt" und sich "an gesellschaftlichen Spielen" wie Hangman oder Mafia erfreut. Ein Zeuge gab an, der 24-Jährige habe ihm beigebracht, "wie man sich beim Gebet hinstellt und die Hände hält".

Einzig einer der insgesamt sechs vernommenen Zeugen war nach außen nicht um ein besonders freundliches Auftreten bemüht. Dieser - er befindet sich nach einer Verurteilung wegen terroristischer Vereinigung derzeit in Strafhaft - räumte ein, nicht alles, was der IS vertrete, sei schlecht: "Einige Sachen sind gut. Alkohol und Unzucht, die sie abgeschafft haben. Tötungen und Menschenhandel haben aber nichts mit dem Islam zu tun." Der Mann hatte im Ermittlungsverfahren auch die Scharia verteidigt. Dazu befragt, meinte er nun: "Wenn die Religion sagt, die Hand wird abgehackt, ist das so. Das kann man nicht ändern." Darauf merkte der Richter an, der Zeuge könne froh sein, dass in Österreich die Scharia nicht gelte, weil er ja auch wegen Diebstahls vorbestraft sei. "Bei kleinen Sachen werden die Hände nicht abgehackt", erwiderte darauf der Zeuge.

Gutachter untersuchte Chatprotokolle und Memos zu Predigten

Zuvor hatte der beigezogene Gutachter ein Fazit nach dem Studium von tausenden Seiten an Chatprotokollen und Memos zu Predigten gezogen, die dem Angeklagten zuzuordnen waren. Offen blieb dabei allerdings, ob und inwieweit die Entwürfe zu den Freitagspredigten tatsächlich vorgetragen wurden. Auf eine entsprechende Frage des vorsitzenden Richters entgegnete der Terror-Experte Steinbach, er gehe davon aus. Wenn jemand eine Wohnung anmiete, um dort zu unterrichten, der Unterricht auch stattfinde und sich der Betreffende darauf schriftlich vorbereite, sei seine entsprechende Annahme "keine Vermutung, sondern eine Schlussfolgerung".

Im Entwurf zu einer Predigt am 30. Oktober 2020 - drei Tage vor dem Terror-Anschlag - war laut Steinbach von einem "Jihad gegen Ungläubige, so wie Gott es im Koran befohlen hat" die Rede gewesen. Der Experte bezeichnete dies als "unverschlüsselten Aufruf zum bewaffneten Kampf gegen Ungläubige". Der Angeklagte habe bei dieser Gelegenheit auch Solidarität mit IS-Anhängern in Syrien eingefordert, denen aus Europa zu wenig Hilfe zukomme, weil es hier "zu große Jammerlappen und Angsthasen" gebe. Österreich wurde in dem Entwurf als "Land des Unglaubens" tituliert.

Bekenntnis zum IS?

In einer von den Sicherheitsbehörden nach dem Anschlag in der Wohnung beschlagnahmten Bibliothek fanden sich zwei Bände, "die eindeutig auf eine jihadistische Orientierung hinweisen", wie der Gutachter erklärte. Aus den Chats ließe sich an einer Stelle explizit ein verbales Bekenntnis des Angeklagten zum IS ablesen, sagte Steinberg. Dieser habe außerdem aus IS-Hymnen und weiters aus einem IS-Magazin zitiert, unter welchen Umständen die Tötung von Zivilisten zulässig sei. Für Steinbach bestand kein Zweifel, dass der 24-Jährige, der sich zu sämtlichen Anklagepunkten nicht geständig verantwortet, beim IS zu verorten sei.

Verhandlung in Wien wird am Dienstag fortgesetzt

Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt. Bereits am Dienstag soll auch das Urteil allen. Bei einem Schuldspruch drohen dem Angeklagten, dem eine konkrete Beteiligung am Terror-Anschlag oder Hilfe bei den vorbereitenden Handlungen im Vorfeld des Attentats nicht nachzuweisen war, bis zu zehn Jahre Haft.

(APA/Red)

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