Wiener Staatsoper erinnerte an Wiedereröffnung vor 70 Jahren
An jenem Samstag vor 70 Jahren wurde die wiederaufgebaute Wiener Staatsoper feierlich eröffnet. In einem vormittäglichen Festakt gedachte man im Haus am Ring am Mittwoch diesem denkwürdigen Ereignis, wozu sich die Prominenz des Landes von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abwärts eingefunden hatte.
"Akkord aus Wahrheit und Lebenslüge"
Direktor Bogdan Roščić erinnerte dabei an die ausbleibende Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit zum vermeintlichen Neustart 1955, an das Neuengagement belasteter Künstler gepaart mit der ausbleibenden Einladung an Vertriebene. "Der Akkord aus Wahrheit und Lebenslüge" sei nicht nur in Österreich allgemein, sondern auch an der Staatsoper dominant gewesen, bevor ab den 80ern die Direktionen sich der Geschichte stellten, so Roščić.
Wiener Staatsoper gedachte Wiedereröffnung: Gleichklang von Hochkultur und Gräueltaten
Bundespräsident Van der Bellen stellte sich die Frage, wie etwa ein herausragender Dirigent wie Karl Böhm, der auch unter den Nazis reüssiert hatte, die Auftaktinszenierung am Haus gestalten konnte. "Ich habe nie recht verstanden, wie die Hochkultur und die Gräueltaten Hand in Hand gehen können", gestand Van der Bellen: "Und doch ist es geschehen - in der abscheulichsten Art und Weise."
Entsprechend wichtig sei für das Land, seine Geschichte zu kennen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, machte Van der Bellen deutlich: "Geschichte wiederholt sich nicht - jedenfalls nicht 1:1. Aber sie ist lehrreich."
Gedenktafel zur Erinnerung an die Opfer
So nahm man den Jahrestag zum Anlass, im Arkadengang am Ring eine Gedenktafel zu enthüllen, die an die im Nationalsozialismus ermordeten und vertriebenen Mitglieder der Oper erinnert. Oberhalb des Schriftzuges ist Käthe Kollwitz' Trauernde als Relief abgebildet. Mehr als 100 Mitarbeitende mussten nach dem "Anschluss" aufgrund ihrer jüdischen Herkunft die Oper verlassen, erinnerte Danielle Spera in ihrer Rede an die Opfer.
Überdies eröffnete der heute gleichsam als Staatsopernhaupt fungierende Alexander Van der Bellen eine Ausstellung im Balkonumgang des Hauses, die sich bis Ende Jänner 2026 mit Fotografien und einigen Exponaten dem Wiederaufbau und der vorangegangenen Zerstörung widmet. Schließlich beschränkt die Staatsoper das Gedenken nicht auf die eigentliche Wiedereröffnung, sondern bezieht auch jene Geschehnisse mit ein, die zur Zerstörung des Historismuspalastes in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs führten.
Publikation flankiert Ausstellung
Deshalb wird die Ausstellung von der Publikation "Im Palast der Selbsterfindung" flankiert, die am 7. November im Molden Verlag erscheint. In verschiedenen Essays setzen sich darin Autorinnen und Autoren wie Oliver Rathkolb, Sabine Plakolm-Forsthuber oder das Dramaturgenduo Andreas Láng und Oliver Láng mit den Ereignissen von der Zerstörung 1945 bis zur Inauguration des Aufbauwerks von Erich Boltenstern 1955 auseinander. Überdies sind zahlreiche zeithistorische Fotografien abgedruckt.
Und schließlich feiert auch der ORF den Jahrestag. Nach einem Buch von Gerald Heidegger hat Alexandra Venier die Dokumentation "Wiener Staatsoper - Weltbühne für Österreich" erarbeitet. Darin wird die 1869 beginnende Historie des Hauses als Spiegelung der österreichischen Geschichte gelesen. Selbstredend kommen dabei zahlreiche Zeitzeugen sowie Expertinnen und Experten zu Wort. Am Mittwochabend ist die knapp einstündige Dokumentation ab 22.30 Uhr auf ORF 2 zu sehen. Und Ö1 setzt sich am Donnerstag ab 14.05 Uhr unter dem Titel "'Austrian Coronation' - und dann?" mit der Eröffnung des ikonischen Bauwerks auseinander.
Neuer "Fidelio" im Dezember in der Wiener Staatsoper
In eine gewisse Tradition stellt sich die Wiener Staatsoper auch im kommenden Monat, wenn am 16. Dezember eine Neuinszenierung von Beethovens "Fidelio" gefeiert wird - mit jenem Stück also, mit dem das neue alte Haus am 5. November 1955 wiedereröffnet wurde.
(APA/Red)