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Wiener "Ohren-Vorfall" um Edi Rama beschäftigt U-Ausschuss in Albanien

Zog Kontrahenten angeblich in Wien am Ohr: Edi Rama
Zog Kontrahenten angeblich in Wien am Ohr: Edi Rama ©DAPD
Ein Zwischenfall, der sich im April bei einer Veranstaltung an der Diplomatischen Akademie in Wien zwischen dem albanischen Oppositionsführer Edi Rama und einem albanischen Diplomaten abspielte, hat am gestrigen Mittwoch einen Untersuchungsausschuss in Tirana beschäftigt. Der Diplomat Egin Ceka, der angeblich von Rama beim Ohr gezogen wurde, sagte dabei aus; Rama erschien nicht.

Die “Ohren”-Affäre sorgt im albanischen Wahlkampf für Wirbel. Nach Darstellung Cekas trug sich am 24. April in Wien Folgendes zu: Sozialistenchef Rama habe bei der Diskussionsveranstaltung erwähnt, dass die albanischen Auslandsvertretungen zu politisiert seien, als dass Auslandsalbaner dort frei und fair bei Wahlen abstimmen könnten. Die Teilnahme der Auslandsalbaner an Wahlen in der Heimat ist derzeit heißes Thema im Wahlkampf vor der Parlamentswahl am 23. Juni, obwohl das bei diesem Urnengang gar nicht mehr bewerkstelligt werden kann.

Zog Edi Rama Ceka am Ohr?

Als ehemaliger Mitarbeiter der albanischen Botschaft in Wien und jetziger Angehöriger der albanischen Vertretung bei den internationalen Organisationen in Wien sei er nach der Veranstaltung zu Rama gegangen, habe sich vorgestellt und ihm gesagt, dass die Kritik zumindest auf die Botschaft in Wien nicht zutreffe, so Ceka.

Rama habe darauf “arrogant” reagiert, habe ihn einen “Provokateur” genannt und habe ihm nahegelegt, den Saal zu verlassen, sagte Ceka vor dem U-Ausschuss laut Medienberichten. Das hat sich Ceka nach eigenen Angaben verbeten, und Rama habe ihn daraufhin an einem Ohr und den Haaren gezogen. Ceka bezeichnete demnach im Rahmen eines kurzen, lauteren Wortwechsels Rama als “Mist”, der es nicht verdiene, Albanien zu regieren. Damit war der Vorfall beendet.

Das “Opfer”: Egin Ceka

Egin Ceka ist der Sohn des Botschafters Neritan Ceka, der als Politiker die Seiten zwischen den beiden, tief zerstrittenen albanischen Polit-Lagern wechselte und nun Premier Sali Berisha, Ramas politischen Erzrivalen, berät. Egin Ceka kündigte vor dem parlamentarischen U-Ausschuss seinen Rückzug aus dem diplomatischen Dienst an.

Rama erschien nicht, um auszusagen. Für die Regierung in Tirana war der kleine Zwischenfall in der Diplomatischen Akademie, von dem etwa das Renner Institut als Hauptveranstalter und andere Anwesende gar nichts mitbekamen, offenbar ein gefundenes Fressen im Wahlkampf, um Rama eine Kompromittierung der albanischen Diplomatie vorzuwerfen. Dabei wurde die unerfreuliche Begegnung zwischen Ceka und Rama offensichtlich übertrieben und zur wüsten Schlägerei hochstilisiert, wie Ceka selbst einräumte.

Vorfall in Wien übertrieben dargestellt?

Premier Berisha selbst hatte den U-Ausschuss gefordert. Er wurde allerdings unter fragwürdigen Umständen nur von der Regierungsfraktion eingesetzt, weil Ramas sozialistische Abgeordnete aus Protest das Plenum verlassen hatten. Er ist auch nur mit Regierungsabgeordneten besetzt. Fate Velaj vom Forum “Weltoffen International”, das Rama neben dem Renner Institut ebenfalls nach Wien eingeladen hatte, bekräftigte in seiner Aussage vor dem U-Ausschuss die Ansicht, dass es “gar keinen Vorfall gegeben hat”.

Wahl in Albanien steht bevor

Bei der Wahl Ende Juni geht es für Berisha um den Machterhalt. Sein bisheriger Regierungspartner die Sozialistische Integrationsbewegung (LSI), die ihm nach der Wahl 2009 die Mehrheit sicherte, ist jüngst in Ramas Mitte-Links-Lager zurückgekehrt. Berisha regiert nur mehr mithilfe abtrünniger sozialistischer Abgeordneter. Berishas Demokraten treten bei der Juni-Wahl mit 25 Kleinparteien als “Allianz für Beschäftigung, Wohlergehen und Integration” an; Ramas Sozialisten haben sich mit der LSI und 36 Kleinparteien als “Allianz für ein europäisches Albanien” registriert.

Für Rama geht es nicht minder um das politische Schicksal. Als er Berisha 2009 nicht ablösen konnte, bezeichnete er die damalige Wahl trotz relativ positivem Urteil internationaler Wahlbeobachter als nicht fair und fuhr einen Protestkurs. Die Sozialisten boykottierten lange Zeit die Parlamentsarbeit und organisierten Massenproteste und sogar einen Hungerstreik, um eine Neuauszählung oder Wahlwiederholung herbeizuführen. Trotz eindringlicher Appelle der EU, der USA und internationaler Organisationen zog sich der Konflikt über Monate und Jahre hin. Die Konfrontationen zwischen Regierung und Opposition lähmen die EU-Annäherung Albaniens bis heute. Ramas in der eigenen Partei nicht unumstrittener Protestkurs war letztlich nicht erfolgreich; zudem wurde er 2011 als Bürgermeister von Tirana abgewählt.

Geordneter Urnengang nicht in Sicht

Sämtliche Wahlen in Albanien seit dem Ende der kommunistischen Diktatur konnten internationale Beobachter nicht wirklich zufriedenstellen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton selbst forderte jüngst bei einem Besuch in Albanien, das sich den Status eines Beitrittskandidaten erhofft, einen geordneten Urnengang, der aber nicht in Sicht ist.

Der Seitenwechsel der LSI hatte nämlich Folgen für die Zentrale Wahlkommission: Das siebenköpfige Gremium soll unabhängig agieren, allerdings werden die Mitglieder von den Parteien vorgeschlagen, und die Regierungsmehrheit darf vier Mitglieder vorschlagen, um auch in der Kommission gleichsam in der Mehrheit zu sein. Das Parlament wählte nun das “LSI-Mitglied” in einem zweifelhaften Akt nach dem Regierungsaustritt der LSI ab; die sozialistischen Kommissionsmitglieder traten daraufhin aus Protest zurück. Die Kommission ist damit derzeit ein Rumpfgremium.

(apa/red)

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