Das Gerücht, dass die Wiener Stadtwerke für mehr als 870 Mio. Euro mit 29 Prozent bei Niederösterreichs Energieversorger EVN einsteigen könnten, hat im Wiener Rathaus die NEOS auf den Plan gerufen, die am Mittwoch dazu "10 Fragen an die Stadtregierung" formuliert haben, etwa was das wirtschaftliche Interesse der Stadt Wien sei und wie die Finanzierung geplant sei.
Möglicher Einstieg der Wiener Stadtwerke bei EVN
Laut einem Bloomberg-Bericht von Dienstag könnte die Wiener Stadtwerke Holding für den derzeit vom deutschen Energiekonzern EnBW gehaltenen 29-Prozent-Anteil an der börsennotierten EVN mehr als 870 Mio. Euro bezahlen. An der Börse war die EVN zuletzt 2,8 Mrd. Euro wert. Der Deal solle noch diese Woche unterzeichnet werden, so Bloomberg.
Die Wiener Stadtwerke würden damit zum zweitgrößten EVN-Aktionär nach dem Land Niederösterreich (51 Prozent). Von EVN und EnBW gab es dazu gestern schon kein Statement. Seitens der Wiener Stadtwerke hieß es am Mittwoch auf APA-Anfrage: "Wir können das nicht kommentieren."
Kritik und zehn Fragen von Wiener NEOS
Der Wiener NEOS-Klubobmann Christoph Wiederkehr kritisierte in einer Aussendung "die enormen Kosten dieses Deals" und bezeichnete die genannte Summe als "politisches Monopoly". "Damit könnten wir in Wien 500 Schulen sanieren." Dementsprechend lautet auch die Frage Nummer 10 an die Stadtregierung: "Wie erklärt man diese Investition den Wiener Eltern, deren Kinder in desolate Schulen gehen müssen."
Zur Frage einer Finanzierung erklärten Branchenbeobachter zur APA, dass dies für die Wiener Stadtwerke wohl kein Problem sei, wenn man sich deren Bilanz mit Pensionsrückstellungen und Aktienvermögen jeweils in Milliarden-Höhe ansehe, wobei in letzterem auch der - direkt und indirekt - von den Wienern gehaltene Verbund-Anteil inkludiert ist. Zusammen mit der EVN halten die Wiener knapp über der Sperrminorität am ebenfalls börsennotierten Stromkonzern Verbund, seit 2010 haben die beiden ihre Stimmrechte gebündelt.
Verknüpft sind EVN und Wiener Stadtwerke schon seit rund zwei Jahrzehnten in der Vertriebspartnerschaft "EnergieAllianz", bei der auch die Energie Burgenland mit an Bord ist. So gesehen könnte man einen Einstieg der Wiener bei der EVN auch als eine Vertiefung einer schon bestehenden Partnerschaft betrachten.
Beschlusslage zu dem möglichen Anteilsverkauf dürfte es bei der deutschen EnBW noch keine geben, vermuten Beobachter, denn spätestens mit einem Aufsichtsratsbeschluss dort würde das Thema ad-hoc-pflichtig. Sollte das am Donnerstag der Fall sein, könnte ein Signing am Freitag erfolgen.
Rendite-Überlegungen hinter Deal vermutet
Die Motivation der Wiener Stadtwerke für einen möglichen Einstieg bei den EVN wird schlicht und einfach in Rendite-Überlegungen gesehen, immerhin zahle das Unternehmen eine gute Dividende, was auch Analysten goutieren würden. Umgekehrt könnte die Loslösung vom Großaktionär EnBW der EVN Imagegewinne etwa bei nachhaltig orientierten Fonds bringen - jahrelang hatte der niederösterreichische Versorger in Rankings von NGOs nicht nur durch das eigene, seit letztem Sommer außer Betrieb genommene Kohlekraftwerk Dürnrohr in NÖ, sondern auch darunter gelitten, dass EnBW als Atom- und Kohlekonzern galt. Erst zuletzt haben sich die Karlsruher von diesen beiden Energietechnologien weg vermehrt Richtung Ökostrom orientiert.
Die EVN-Aktien letzten am Mittwoch jedenfalls kräftig zu - um 3,90 Prozent auf 16,00 Euro bis 11.50 Uhr. Doch auch die Verbund-Titel lagen um die Zeit mit 45,64 Euro immerhin 3,26 Prozent im Plus. Der Wiener Leitindex ATX lag zugleich lediglich 0,91 Prozent höher gegenüber Dienstagabend.
IVA reserviert zu möglichem Wiener-Stadtwerke-Einstieg bei EVN
Der Präsident des Kleinanlegerverbandes IVA, Wilhelm Rasinger, hat sich heute zum Gerücht, dass die Wiener Stadtwerke für mehr als 870 Mio. Euro mit 29 Prozent bei Niederösterreichs Energieversorger EVN einsteigen könnten, geäußert. Der IVA stehe einem Verkauf des derzeit im Besitz der deutschen EnBW befindlichen Aktienpakets an die Wiener Stadtwerke reserviert gegenüber, so Rasinger zur APA.
Man halte nichts davon, wenn es gegenseitige Verflechtungen zwischen Energieunternehmen gebe, die gegensätzliche Interessen hätten. Das Paket solle aber für den heimischen Kapitalmarkt gesichert sein, meint der Interessenverband für Anleger (IVA).
Wünschenswert wäre eine vorübergehende Übernahme durch die ÖBAG oder die B&C-Holding, die die Anteile dann schrittweise an langfristig orientierte verlässliche heimische Anleger wie Versicherungen und Pensionsfonds wieder verkaufen sollten. Ein Erwerb durch die Wiener Stadtwerke würde nur Sinn bei einer Fusion machen - das sei aber auszuschließen.
(APA/Red)