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Wiener Mauer-Streit zieht Krisensitzung nach sich

Neue Konzepte müssen erarbeitet werden
Neue Konzepte müssen erarbeitet werden ©APA (AFP)
Nach dem vom Kanzleramt verfügten Aus für die Schutzmauer am Ballhausplatz soll rasch eine Ersatzlösung her.
Bau der Anti-Terror-Poller in Wien
Kern ließ "Mauerbau" stoppen
Wer gab den Auftrag?

Wie die Tageszeitung “Österreich” berichtet, wird am Montag auf Beamtenebene eine Sitzung aller beteiligten Ressorts, der Präsidentschaftskanzlei sowie von Bundesimmobiliengesellschaft und Baufirma stattfinden. Bereits am Donnerstag war man zusammengekommen, hatte sich aber vertagt.

Nun sollen am Montag Ersatzkonzepte vorgelegt werden, die gemäß Vorgaben des Kanzleramts aber keine Schutzmauer enthalten dürfen. Gestoppt ist übrigens nur der Mauerbau. Am breiteren Gehsteig sowie an den Pollern wird am Montag wieder gearbeitet.

Strache: “Bonzen-Mauerbau”

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wettert weiter gegen die geplanten und nun wieder abgesagten Anti-Terror-Schutzmaßnahmen am Ballhausplatz, von ihm als “Bonzen-Mauerbau” betitelt. Es handle sich um einen “klassischen Schildbürgerstreich”, befand Strache am Freitag bei einer Pressekonferenz. Auch wenn Kanzler Christian Kern (SPÖ) mit dem Baustopp die Notbremse gezogen habe – “der Schaden ist da”.

Dass im Regierungsviertel Mauerblöcke und Poller gegen Terror-Anschläge errichtet werden sollten, ist für Strache eine “Verhöhnung der österreichischen Bürger”. Dass der Kanzler nicht wisse, was ums Kanzleramt passiere, findet Strache “besonders bedenklich”, denn “was weiß er dann sonst noch nicht?”, fragt sich der FPÖ-Chef.

Es sei ein Fehler der Regierung gewesen, in der Flüchtlingskrise die Grenzen nicht zu schließen, bekräftigte Strache. “Da hat man die Probleme hereingelassen”, seien doch “viele Wirtschaftsflüchtlinge und islamistische Gefährder” dabei gewesen.

Gefragt, wie er denn mit der FPÖ in der Regierung das Viertel schützen würde, blieb Strache zwar eine konkrete Antwort schuldig, verwies aber darauf, dass man lieber die Bevölkerung schützen solle. Dabei denkt Strache etwa an Poller in Einkaufsstraßen, wie er auf Nachfrage sagte, “dort macht es selbstverständlich Sinn”.

Die Regierungsmitglieder würden ohnehin durch Bewacher geschützt, argumentierte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Darauf angesprochen, dass die Schutzeinrichtungen ja auch für Mitarbeiter und Besucher des Regierungsviertels gedacht seien, entgegnete Kickl, dass es entsprechendes Exekutivkräfte am Ballhausplatz gebe, die man ja durchaus verstärken könne. Maßnahmen gehörten aber vor allem bei Menschenansammlungen wie Einkaufsstraßen oder in der U-Bahn gesetzt.

Schelling: “Entsetzt” über Umgang mit Steuergeld

Kritik an den Vorgängen bei der Anti-Terror-Mauer übte am Freitag auch Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Er sei “entsetzt” über den Umgang mit Steuergeld, erklärte er am Rande einer Pressekonferenz in Krems. Ein Finanzminister habe immer sorgsam auf den Umgang mit Steuergeld zu achten, zumal es das Geld der Österreicher sei. Nun würden alle sagen, sie hätten nichts über die geplante Mauer gewusst.

Schelling verwies aber auf Bilder des Bundeskanzlers, der Wasser an die Bauarbeiter verteilt habe. Kern habe somit erkennen müssen, dass hier Bauarbeiten stattfinden. “Das ist kein fairer Umgang mit Steuergeldern”, so Schelling. Man hätte die Mauer nicht so machen müssen. Die Arbeiten nun mittendrin abzubrechen, sei jedenfalls “kein seriöser Umgang” mit öffentlichen Mitteln.

Auftrag zum Mauerbau kam aus dem Bundeskanzleramt

Die Anti-Terror-Mauer am Ballhausplatz hält seit Tagen Österreichs Wahlkampf in Atem. Niemand auf politischer Ebene will von ihr gewusst haben, niemand will den Auftrag zum Bau erteilt haben. Bundeskanzleramt und Innenministerium schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Laut APA-Recherchen waren zumindest auf Beamtenebene alle Beteiligten informiert, Beamte haben die Mauer auch genehmigt.

Die Pläne für Schutzmaßnahmen im Regierungsviertel reichen laut Innenministerium bereits ins Jahr 2014 zurück. Konkret zur Sache ging es dann im Frühjahr 2017. In Projektsitzungen, an denen Vertreter des Innenministeriums, des Bundeskanzleramts, der Präsidentschaftskanzlei sowie der Stadt Wien mit über zehn verschiedenen Magistratsabteilungen beteiligt waren, wurden die Baupläne entwickelt. Koordiniert wurden diese Arbeiten von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) im Auftrag von Innenministerium, Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei.

Ergebnis dieser Sitzungen, an denen bis zu 50 Personen teilnahmen ist eine der APA vorliegende und mit 15. März datierte “Technische Beschreibung und Kostenzusammenstellung” zur “Pollersituierung Ballhausplatz”. In dem zehnseitigen Papier sind auch die inzwischen berühmt geworden und umstrittenen Schutzmauern angeführt. “Im Bereich des Ballhausplatzes ist es angedacht die Hausfront des BKA zusätzlich durch Schutzmauern bzw. Fixpoller zu sichern. Die Sicherheitsklasse wurde mit K12 festgelegt”, heißt es darin. Eine Abbildung zeigt darüber hinaus die Anordnung und Dimension der geplanten Schutzmauern. Geplant waren demnach fünf Mauer-Blöcke, jeweils rund acht Meter lang und 80 Zentimeter hoch. Auch die Gesamterrichtungskosten für Sicherheitsmaßnahmen und Umbauten vor dem Bundeskanzleramt sind angeführt: 422.612,22 Euro.

Als geplante Bauzeit wurde “Sommer / Herbst 2017” festgehalten. Als Baubeginn wurde der 30. Mai terminisiert, als Bauende der 13. Oktober, zwei Tage vor der Nationalratswahl am 15. Oktober. “Der Ausführungsterminplan richtet sich nach der Projektfreigabe seitens BKA und wird nach Projektfreigabe und Abstimmungen aller Rahmenbedingungen nachgereicht bzw. im Zuge der Abstimmungen bekanntgegeben”, heißt es abschließend.

Am 29. Juni 2017 übermittelte das Präsidium des Bundeskanzleramts der Bundesimmobiliengesellschaft in einem der APA vorliegenden Schreiben die unterfertigten Originalunterlagen der “Bauabwicklungsvereinbarung Poller Ballhausplatz 1 und 2”. Die von der Präsidialsektion des Kanzleramts unterzeichnete Vereinbarung ist mit 24. März 2017 datiert. In einem weiteren Schreiben vom 29. Juni bestätigte die Präsidialsektion des Bundeskanzleramts nach APA-Informationen der Bundesimmobiliengesellschaft darüber hinaus, dass man die Kosten für die Schutzmauern übernehmen werde, da das Innenministerium diese für die Sicherheit als unerlässlich erachtet.

Kern bringt Wasser vorbei

Gleichzeitig begannen im Sommer die Bauarbeiten. Als die Hitze besonders groß wurde, brachte Bundeskanzler Christian Kern den eingesetzten Bauarbeitern sogar höchstpersönlich Wasser vorbei. Das entsprechende wahlkampftaugliche Video wurde von der “Kronen Zeitung” wohlwollend transportiert. Zu Beginn der heißen Wahlkampfphase entdeckte die “Krone” dann das Potenzial zum “Mauer”-Skandal und trommelte in ihrer Online-Ausgabe und auf Twitter tagelang gegen den Bau der Mauer-Blöcke und Poller. Erinnerungen an frühere “Krone”-Kampagnen – sei es die Auseinandersetzung um die Abholzung des Sternwarteparks, die den damaligen Wiener Bürgermeister Felix Slavik (SPÖ) den Job kostete, den nie gebauten Leseturm im Museumsquartier oder andere Projekte gegen die die “Krone” mobil machte – wurden wach. Nur die Bauwerke waren früher höher als die zur Terrorabwehr vorgesehene 80 Zentimeter hohe Minimundus-Mauer am Ballhausplatz.

Am Donnerstag verfügten Bundeskanzler Kern und Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) schließlich den Baustopp, und die roten und schwarzen Regierungsstellen schoben sich gegenseitig die Verantwortung für die Mauer-Misere zu. Fazit: Auch wenn die politischen Akteure nichts davon wissen wollen, auf Beamtenebene waren alle beteiligten Stellen über die Pläne informiert, und die Sektion I des Bundeskanzleramts gab diese auch frei.

(APA/Red.)

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