Wiener Künstlerin Renate Bertlmann erhält Großen Österreichischen Staatspreis 2017

“Sie war immer unangepasst und genau deswegen passt sie zeitlos in die Avantgarde der österreichischen und europäischen Kunstszene”, würdigte Drozda die Künstlerin. “Renate Bertlmann hat in ihrer rund 50-jährigen Schaffenszeit als Künstlerin in außerordentlich eindrucksvoller Weise Themen bearbeitet, die zum Widerspruch herausfordern. Oder um es mit ihren Worten zu sagen: ‘Ich liebe Ambivalenzen, weil sie so menschlich sind.’ Mit feinem Gespür für Ironie und Humor erarbeitet Bertlmann die Zwiespältigkeit der Dinge heraus.” Ihr Werk sei “ein hervorragendes Beispiel für eine gesellschaftsrelevante Kunst”.
Österreichischer Staatspreis: Höchste Auszeichnung der Republik
Der Große Österreichische Staatspreis ist die höchste Auszeichnung, die die Republik Österreich für besonders hervorragende Leistungen verleiht. Der aus 21 Mitgliedern bestehende Österreichische Kunstsenat nominiert dafür jährlich eine Persönlichkeit ohne festgelegtes Rotationsprinzip aus den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Literatur oder Musik für den Staatspreis. Im Bereich Bildende Kunst wurde zuletzt 2009 Brigitte Kowanz ausgezeichnet, im Vorjahr erhielt der Autor Gerhard Roth den Preis.
Die Entscheidung des Kunstsenats für Bertlmann fiel einstimmig. In seiner Empfehlung begründete das Gremium: “Renate Bertlmann unternimmt eine radikale Analyse der Unmöglichkeit des Lustprinzips. Seit den siebziger Jahren hat sie sich nicht nur in wesentlicher Position in die weibliche Performancegeschichte Österreichs eingeschrieben, sondern darüber hinaus in die erst jüngst in ihrer Bedeutung erkannte internationale feministische Avantgarde.” Und weiter: “Ihre Arbeiten haben im Kontext der feministischen Kunst eine ikonische Wirkung entfaltet. Durch ihre Kunst hat sie den Spielraum weiblicher Selbstbestimmung entschieden erweitert.”
Die Wiener Künstlerin Renate Bertlmann
Bertlmann wurde am 28. Februar 1943 in Wien geboren und studierte an der School of Arts in Oxford und an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Dort unterrichtete sie auch von 1970 bis 1982. Ihr feministisches Engagement zeichnete sich zu jener Zeit etwa durch die Veröffentlichung des Pamphlets “Warum malt sie keine Blumen?” sowie durch die Beteiligung an verschiedenen Gruppen und Projekten aus. Der durchaus ironische Charakter ihrer Arbeiten bildete sich insbesondere in den 1980ern heraus, wobei Bertlmann allen voran durch die Verwendung des Phallus’ in unterschiedlichsten Kontexten Kritik am Patriarchat übt.
Stilistisch hat sich die Künstlerin nie Grenzen gesetzt: Grafik und Zeichnung waren und sind ebenso ihr Medium wie Film, Installation und Performance. Aktuell wird das auch im Rahmen der Ausstellung “Woman” zur Feministischen Avantgarde aus der Sammlung Verbund deutlich, die im Wiener mumok zu sehen ist. Dort ist Bertlmann mit wesentlichen Werkgruppen vertreten. Außerdem wurden ihre Werke in den vergangenen Jahren im Salzburger Rupertinum, dem Austrian Cultural Forum in New York sowie im Rahmen der zehnten Gwangju Biennale in Südkorea gezeigt.
Pornografie, Ironie, Utopie: Bertlmanns Blick auf die Gesellschaft
Diese “Zärtliche Pantomime” ist durchaus explizit: In Spitzenunterwäsche und Lederstiefeln hält sich Renate Bertlmann eine eigenwillige Maske mal vor das Gesicht, dann in ihren Schritt. Die 1976 entstandene Fotoserie ist nur eine von vielen Auseinandersetzungen der Künstlerin mit Sexualität, Witz und gesellschaftlichen Zwängen. Heute gilt Bertlmann als Pionierin der feministischen Avantgarde.
Und das macht nicht nur die gleichnamige Ausstellung der Sammlung Verbund, die derzeit im Wiener mumok Station macht, deutlich. Zwischen Protagonistinnen wie Cindy Sherman, Birgit Jürgenssen oder VALIE EXPORT sind dort auch Bertlmanns Arbeiten zu sehen. Die am 28. Februar 1943 in Wien geborene Künstlerin, die nach ihrem Studium an der School of Arts in Oxford und an der Akademie der bildenden Künste in Wien mehr als ein Jahrzehnt auch als Lehrbeauftragte ihr Wissen und Können weitergab, ist heute nicht von ungefähr in diesem Kontext, unter diesen Namen zu sehen.
(APA/Red)