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Wiener Kindergärten: MA-10-Chefin wurde wegen Missbrauchsfällen abgesetzt

Bei den Wiener Kindergärten wurde ein neuer Missbrauchsfall gemeldet.
Bei den Wiener Kindergärten wurde ein neuer Missbrauchsfall gemeldet. ©APA/dpa/Uwe Anspach (Symbolbild)
Ein weiterer Pädagoge eines Wiener Kindergartens ist bei der Staatsanwaltschaft angeziegt worden. Die Leiterin der Magistratsabteilung 10 (Kindergärten), Daniela Cochlar, wird abgesetzt.
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Dem Pädagogen wird "pädagogisches Fehlverhalten" vorgeworfen, wie der zuständige Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) am Dienstag berichtete. Wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, auf APA-Anfrage mitteilte, wird derzeit in Richtung Freiheitsentziehung ermittelt.

ORF-Bericht über entlastendes Gutachten

Der ORF berichtete unterdessen, dass ein Gutachten den ersten Beschuldigten zum Teil entlastet. Das Gutachten der Staatsanwaltschaft wurde Ö1 zugespielt. Kolleginnen nahmen den Mann offenbar in Schutz. So heißt es, was den Vorwurf sexueller Übergriffe unter anderem beim Wickeln betrifft: "Der Kindergärtner war nie alleine mit dem Kind und es gab auch keine Wickelsituation." Über die Einschätzung des Jugendamts heißt es im Gutachten laut ORF: "Durch die Zeugenbefragungen bei der MA 11 Jugendamt und den daraus resultierenden Sachverhalt können vonseiten der Behörde die Vorwürfe nahezu ausgeschlossen werden."

Das Gutachten komme zudem zum Schluss, dass Aussagen des knapp dreijährigen Mädchens, um das es zunächst ging, nicht zu einer Verurteilung führen würden. Aus dem Gutachten geht auch hervor, dass die Gutachterin schon im April des Vorjahres mit dem Mädchen gesprochen hat, aber erst vor Kurzem ihr Gutachten an die Staatsanwaltschaft geliefert hat - über ein Jahr später. Mittlerweile gebe es ein weiteres Gutachten, der Inhalt sei noch nicht bekannt.

Wiener Kindergärten: MA-10-Chefin nach Missbrauchsfällen abgesetzt

Der Verdächtige war im selben Kindergarten in Penzing tätig, in dem es zu Übergriffen und Missbrauchshandlungen auf kleine Kinder gekommen sein soll, die bereits von der Staatsanwaltschaft untersucht werden. Im Zuge der Erhebungen zu diesem Fall traten dann Verdachtsmomente gegen einen zweiten männlichen Mitarbeiter der Einrichtung zutage, der später beruflich in einen anderen Bezirk gewechselt hatte. Eine sexuelle Komponenten dürft es nach derzeitigem Ermittlungsstand im zweiten, jetzt bekannt gewordenen Fall nicht geben.

Anders sieht das in einem dritten Fall aus, der einen nicht-städtischen Kindergarten in Liesing betrifft. Ein dort tätiger Pädagoge steht im Verdacht, zwei fünf Jahre alte Buben misshandelt und sexuell bedrängt zu haben, hatte die Landespolizeidirektion am Wochenende der APA bestätigt. Mittlerweile ist er nicht mehr in der Einrichtung beschäftigt.

Es gebe unterschiedliche Auffassungen über das Krisenmanagement, begründete der Ressortchef im Gespräch mit Journalisten die Suspendierung. Den Wiener Kindergärten war vorgeworfen worden, im Zusammenhang mit mutmaßlichen Missbrauchsfällen in einem Kindergarten in Penzing zu spät informiert zu haben. Der neue Fall betrifft ebenfalls diese Einrichtung. Um einen sexuellen Übergriff soll es sich dabei aber nicht gehandelt haben.

Wiederkehr nannte keine weiteren Details zu neuem Missbrauchsfall

Mehr Details zu dem Fall wolle er aktuell nicht nennen, betonte Wiederkehr mit Verweis auf die laufende Ermittlungen. Pädagogisches Fehlverhalten könnten aber etwa Einschüchterungsversuche gegen Kinder sein. Geprüft wird auch, ob es einen Zusammenhang mit den bereits bekannt gewordenen vier Fällen gibt, teilte er mit.

Diese liegen mehr als ein Jahr zurück. Auch der neue Vorfall ist schon vor längerer Zeit passiert, allerdings haben die Eltern erst nun davon berichtet. Anlass dafür könnte die Berichterstattung über die mutmaßlichen Missbrauchsfälle sein, wird vermutet.

Mann wechselte von Penzinger Kindergarten in Wien in eine Leitungsfunktion

Laut Wiederkehr wechselte der Mann nach seiner Tätigkeit im Penzinger Kindergarten in eine Leitungsfunktion in einen anderen Kindergarten in einem anderen Bezirk. Von dort wurden bisher aber keine Vorwürfe gemeldet, wurde heute betont. Der Mitarbeiter wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe nun ebenfalls in den Innendienst versetzt. Eine Vertragsauflösung ist laut Dienstrecht erst bei einer Verurteilung vorgesehen, hieß es am Dienstag.

Pädagogen und Eltern an beiden Wiener Kindergarten informiert

Man werde mit heutigem Tag aktiv an die Pädagogen und Eltern an beiden Standorten mit Informationen herantreten, versprach der Stadtrat. Auch psychosoziale Unterstützung wird angeboten. "In Wien gibt es null Toleranz gegenüber Fehlverhalten", beteuerte Wiederkehr.

Der pinke Ressortchef hatte bereits beim Bekanntwerden der mutmaßlichen Missbrauchsfälle beklagt, zu spät informiert worden zu sein. Kritisiert wurde auch, dass den Eltern damals nicht sofort über den ersten Verdacht berichtet wurde. Die Standortleitung in Penzing wurde bereits ausgetauscht, nun muss aber auch die Leiterin der städtischen Kindergärten den Hut nehmen.

Standortleitung in Penzing wurde bereits ausgetauscht

Diese habe zwar die Coronapandemie sehr gut bewältigt, die Auffassung über das Krisenmanagement habe sich jedoch zuletzt "unterschiedlich entwickelt", sagte Wiederkehr. Er habe darum Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) - der formal diesen Schritt setzen muss - ersucht, Cochlar von den Leitungsaufgaben zu entbinden. Die Position wird nun vorerst interimistisch neu besetzt.

Bürgermeister Ludwig bestätigte am Rande einer Pressekonferenz, dass er der Bitte Wiederkehrs nachkommen wird. Er habe mit dem Koalitionspartner ein gutes Einvernehmen. Wenn dem zuständigen Stadtrat der Schritt als notwendig erscheine, werde er dem nähertreten, sagte der Stadtchef.

Reaktionen von FPÖ und ÖVP

Scharfe Kritik und Forderungen zur weiteren Vorgehensweise kamen von den Wiener Oppositionsparteien FPÖ und ÖVP. "Stadtrat Wiederkehr hat viel zu spät gehandelt", ärgerte sich der blaue Klubobmann Maximilian Krauss in einer Aussendung. Überdies gab er bekannt, dass die FPÖ Wien Hinweise auf "weitere Verdachtsmomente" prüfe, "die eine Ausweitung des Skandals und noch größeres Fehlverhalten befürchten lassen".

Die ÖVP will, dass weitere Maßnahmen folgen. "Neben der vollumfänglichen Aufklärung des vorliegenden Falls, einhergehend mit der Klärung der politischen Verantwortung, ist ein Maßnahmenbündel zwingend erforderlich, damit sich derart schreckliche Fälle nicht mehr wiederholen können", unterstrich Bildungssprecher Harald Zierfuß in einer gemeinsamen Aussendung mit Klubobmann Markus Wölbitsch. Gefordert werden ein Kinderschutzkonzept oder eine Ombudsstelle, die für den jeweiligen Träger frei wählbar und von der Stadt zu finanzieren sei. Darüber hinaus erwarten sich die Türkisen eine offizielle Entschuldigung.

Grüne begrüßen die Absetzung der Wiener Kindergarten-Chefin

Die Grünen Wien begrüßten die "aufgrund des Kommunikationsversagens der Stadt Wien" notwendige Absetzung der Wiener Kindergarten-Chefin. Dies sei jedoch keinesfalls der einzige Schritt, der notwendig sei. "Es muss rasch eine objektive und transparente Aufklärung erfolgen, insbesondere da nun weitere potenzielle Vorfälle und Verfehlungen bekannt wurden. Zudem fordern wir, dass bei möglichen Verdachtsmomenten die betroffenen Personen bis zur lückenlosen Aufklärung nicht in elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen eingesetzt werden dürfen", hielten Gemeinderat Julia Malle und der Abgeordnete Felix Stadler fest.

(APA/Red)

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