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Wiener Grüne entscheiden über Wahlvorgang des Spitzenkandidaten

Zum Auftakt steht unter anderem eine Rede der Grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou auf dem Programm.
Zum Auftakt steht unter anderem eine Rede der Grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou auf dem Programm. ©APA/EXPA/SEBASTIAN PUCHER
Bei der am Samstag stattfindenden Landesversammlung wird unter anderem über die beiden Themen Lobautunnel und Wahlprozedere der Spitzenkandidaten diskutiert. Die Debatte über den neuen Wahlmodus findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Die Wiener Grünen treffen sich heute, Samstag, zur 79. Landesversammlung. Bei dem Treffen wird über die künftige Vorgangsweise bei der Wahl der Spitzenkandidatin bzw. des Spitzenkandidaten entschieden. Auch der Widerstand der Ökopartei gegen den Lobautunnel wird dort Thema sein. Dem umstrittenen Projekt ist ein Leitantrag gewidmet.

Wiener Grüne entscheiden über Prozedere für Spitzenkandidatur

Bei der Wahl des ersten Listenplatzes werden die Grünen wohl neue Wege beschreiten. Die Kür soll nicht mehr auf einer Landesversammlung erfolgen, sondern bereits im Vorfeld geklärt werden.

Die Landesversammlung im Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien beginnt um 10.00 Uhr. Zum Auftakt steht unter anderem eine Rede der Grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou auf dem Programm. Die Debatte über den neuen Wahlmodus findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Kovacs: Opposition gegen Schwarz-Blau wichtige Rolle

Die Wiener Grünen haben eine entscheidende Rolle – als Regierungspartner in Wien und als maßgeblicher Gegner der Bundesregierung. Das hat Landessprecher Joachim Kovacs am Samstag bei der Landesversammlung der Wiener Ökopartei hervorgehoben. Und er kündigte auch eine stärkere Abgrenzung vom Koalitionspartner in Wien an.

“Wir sind heute hier versammelt, weil wir alle beim grünen Neustart einen großen Schritt vorankommen wollen”, sagte der Landessprecher zum Auftakt des Treffens. In Österreich laufe der “Umbau des ganzen Landes”. Die “schwarz-blauen Günstlinge” würden schon bald an allen Schalthebeln der Macht sitzen. Zudem würde der Sozialstaat ausgehöhlt, die Kontrolle der Medien vorbereitet und die Freiheitsrechte eingeschränkt.

“Opposition im Bund in Bauchlage am Boden”

“Die Opposition im Bund liegt leider in Bauchlage am Boden”, konstatierte er. Die Wiener Grünen würden damit eine entscheidende Rolle einnehmen: “Opposition im Bund und Regierung im Land ist möglich und notwendig. Wir haben die Kraft, ein gallisches Dorf gegen den schwarz-blauen Wahnsinn zu sein.”

Man sei daran, die Kraft zu entwickeln, die Schwarz-Blau das Fürchten lehrt, versicherte er. Er reiche allen Skeptischen die Hand, ein Stück des Weges mitzugehen. Enttäuschung ortete er nicht zuletzt bei FPÖ-Sympathisanten: “Aus der Partei des kleinen Mannes ist die Partei des hohen Rosses geworden.” Die Freiheitlichen hätten ihre Wähler verkauft, die FPÖ würde nur mit “Rassismus und Nazientgleisungen” auffallen.

Stärkere Abgrenzung von der Wiener SPÖ geplant

Die Grünen werden sich künftig bei Unstimmigkeiten aber auch stärker von der Wiener SPÖ abgrenzen, versprach er. Wenn ein Partner mit “Vollgaskaracho” an die Wand fahre, müsse man ihm die Augenbinde abnehmen. Damit spielte er auf den Disput um den Lobautunnel an: “Wie kann ich in Zeiten des Klimawandels an einem Umweltzerstörungsprojekt aus den 90er Jahren festhalten?”

“Der Lobautunnel ist ein Milliardengrab, verkehrstechnisch aus der Kreidezeit, umweltpolitisch ein Fiasko”, warnte Kovacs: “Wir können da ruhig mit etwas breiter Brust auftreten.” Das werde die Koalition nicht gefährden: “Eine inhaltliche Auseinandersetzung hat einer Zusammenarbeit noch nie geschadet.”

Leitantrag gegen “Milliardengrab Lobau-Autobahn”

Am Samstag wurde außerdem einen Leitantrag gegen den Lobautunnel beschlossen. In dem Antrag mit dem Titel “Nein zum Milliardengrab Lobau-Autobahn” werden sowohl Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) als auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) aufgefordert, “von dem unsinnigen und milliardenteuren Prestigevorhaben abzurücken”. “Wir werden auf allen Ebenen darum kämpfen, dass der Nationalpark Donau-Auen in seiner Unberührtheit erhalten bleibt”, heißt es in dem Antrag. “Eine unsinnige und milliardenteure Röhre unter dem Nationalpark bringt unserer Stadt keine Entlastung, sondern vergrößert nur die Verkehrslawine.”

Der Bau der Autobahn samt Tunnel werde voraussichtlich drei Mrd. Euro “verschlingen”, wird kritisiert. Stattdessen müsse die Bundesregierung in den Öffi-Ausbau, in die Verkehrswende und den Klimaschutz investieren, fordern die Grünen.

Als Argumente gegen den Bau des Tunnels werden die Verschwendung von Steuergeld und die Gefährdung des Nationalparks genannt. Außerdem befürchten die Grünen eine Verkehrslawine für Wien und die Gefährdung des Trinkwassers, da die Lobau eine wichtige Trinkwasserreserve sei. Auch dass die Wiener Wirtschaft geschädigt werden könnte, da im Nordteil der Autobahn an der Stadtgrenze neue Einkaufszentren entstehen würden, führen die Grünen ins Treffen.

“Was wir vor mehr als 30 Jahren schon geschafft haben, werden wir auch diesmal wieder schaffen. Gemeinsam verhindern wir das Milliardengrab Lobau-Autobahn und die Zerstörung des Nationalparks Donau-Auen”, zeigen sich die Antragsteller zuversichtlich.

Vassilakou bittet um Zustimmung zum Erneuerungsprozess

Die Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou hat ihre Parteifreunde um Zustimmung zum geplanten Erneuerungsprozess gebeten. Um gegen den Lobautunnel, aber auch “Anschläge” durch die schwarz-blaue Bundesregierung wie die Kürzung der Mindestsicherung auftreten zu können, brauche es geeinte Grüne. Die Partei will im Rahmen der Landesversammlung über die künftige Vorgangsweise bei der Wahl der Spitzenkandidatin bzw. des Spitzenkandidaten entscheiden. “Wir haben uns zurecht vergangenen November zwei Ziele gesetzt: Wir wollen Veränderung und Erneuerung bei uns selbst und eine Öffnung erreichen”, sagte Vassilakou.

Das sei eine schwierige und sicher auch kontroversielle Aufgabe, räumte sie ein. “Aber wir dürfen einander nicht aus den Augen verlieren und wir dürfen das Ziel nicht aus den Augen verlieren”, betonte sie. “Ich möchte die Bitte an euch richten, uns diesem Prozess zu stellen, damit wir Grüne vereint, erneuert, stark und zuversichtlich diese Aufgabe übernehmen können”, appellierte sie daher.

Vassilakou machte in ihrer Rede wie auch vor ihr Landessprecher Joachim Kovacs den Lobautunnel zum Thema. “Es handelt sich um eine milliardenschwere Investition für ein Projekt, das vielleicht vor 20, 30, 40 Jahren State of the Art gewesen wäre”, kritisierte sie und versprach, weiterhin entschlossen dagegen aufzutreten. “Jeder Versuch, uns zum Schweigen zu bringen, wird scheitern.”

Als zweite “brandgefährliche Entwicklung” bezeichnete Vassilakou die Vorgangsweise der Bundesregierung bei der Mindestsicherung. Im “grauslichen Match Schwarz-Blau gegen die Kinder” stehe es Eins zu Null. “Das wird Wien nicht mitmachen”, betonte sie und bat abschließend um Geschlossenheit. “Damit wir das alles stemmen können, damit wir etwas bewegen können, werden wir einander brauchen”, sagte sie.

Diskussion um Wahlmodus für Top-Listenplatz ohne Medien

Die Wiener Grünen entscheiden bei ihrer Landesversammlung zwar noch nicht darüber, wer der Spitzenkandidat bzw. die Spitzenkandidatin für die nächste Wien-Wahl wird – aber zumindest der Modus für die Findung dieser Person soll abgesegnet werden. Über die Spitzenkandidatur soll künftig nicht mehr mittels Abstimmung bei einer Landesversammlung entschieden werden. Vielmehr sollen Mitglieder bzw. wahlberechtigte Personen brieflich für eine Person votieren können. Das ist eine deutliche Abkehr von der bisherigen Variante, bei der die Liste direkt auf der Landesversammlung erstellt wurde und Kandidaten unmittelbar gegeneinander rittern mussten.

Auch künftig müssen sich Interessenten, jedenfalls wenn es mehrere sind, einem Bewerbungsverfahren unterziehen – allerdings weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Personen, die für den ersten Platz kandidieren möchten, dürfen sich schriftlich bewerben. Jeder Stimmberechtigte enthält daraufhin entsprechende Unterlagen und darf eine Person unterstützen. Dass nur mehr eine Person genannt werden darf, könnte ein möglicher Kritikpunkt werden. Bisher war es möglich, im Zulassungsprozedere mehrere Kandidaten zu supporten.

Die “ausreichend unterstützten” Kandidaturen werden dann den Wahlberechtigten vorgestellt. Ausreichend soll heißen: 100 Stimmen sind mindestens nötig. Für Mandatare, die schon zwei Perioden dabei sind, wird die Hürde auf 200 verdoppelt.

Die zugelassenen Personen sollen sich der Basis präsentieren. Unter anderem ist die Abhaltung mehrerer Hearings angedacht. Dann werden Wahlzettel und Rücksendekuverts verschickt. Die wahlberechtigten Grünen müssen, wenn sie sich an der Kür beteiligen wollen, innerhalb einer bestimmten Frist brieflich antworten – wobei aber auch die Einrichtung einer Abgabestelle geplant ist. Danach wird in der Landespartei ausgezählt und das Ergebnis veröffentlicht. Bei Stimmengleichheit kommt es zur Stichwahl.

Wie die Wahl der restlichen Liste funktionieren wird, ist noch offen. Dies wird in einem nächsten Schritt entschieden, heißt es. Bei den Grünen schloss man zuletzt jedoch nicht aus, dass der Ablauf ähnlich wie bei der Spitzenkandidatur erfolgen wird.

(APA/Red)

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