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Wiener Festwochen 2007

©© APA
Flotte Shakespeare-Revue: Tragische Helden als ernste Clowns und sinnlose weiße Mäntel für das Publikum.

Der Shakespeare-Schwerpunkt der Wiener Festwochen wurde durch die Absage von Zadeks „Was ihr wollt”-Inszenierung zwar dezimiert. Aber wirklich erschüttern konnte der Wegfall das heurige Schauspielprogramm nicht. Noch vor der Burgtheater-Premiere stand gestern, Montag, Abend König Lear in der Halle G des Museumsquartiers auf der Bühne, und zwar gemeinsam mit Hamlet, Macbeth, Othello, Richard III. und Titus Andronicus. Das Belgrader Ensemble des BITEF-Festivals präsentierte die tragischen Shakespeare-Helden im „Circus Istorija – Zirkus der Geschichte” als ernste Clowns – mit gemischtem Erfolg.

Noch vor Beginn der Vorstellung mussten alle Besucher des Stücks weiße Mäntel anziehen, was den Saaleinlass erheblich verzögerte. Warum dies notwendig war, erschloss sich in den folgenden rund 70 Minuten jedoch nicht. Zwar war auch die Bühne fast zur Gänze in Weiß gehalten, hohe Luftsäulen am Rand und ein überdimensionales Hemd im hinteren Bühnenbereich dienten als Eingrenzung der Zirkusarena auf der Bühne – doch die Zuschauer wurden in die bewegte Revue rund um Machtmechanismen und skrupellose Geschichtstendenzen weder eingebunden noch großer Kälte ausgeliefert. Das Rätsel blieb ebenso ungelöst wie jenes der fehlenden Sitzreihe 7 in der Halle G.

Alle Rätsel müssen aber auch nicht gelöst werden. Schon vor der Beginn standen dafür ein paar Fakten fest: Die serbische Performance-Gruppe arbeitete für den „Circus Istorija” mit ausgewählten Texten von Shakespeare und Jan Kott, der Shakespeares Geschichts-Verständnis in einer Analyse vor 40 Jahren als äußerst pessimistisch entlarvte. Jeder Kampf gegen einen tyrannischen Machthaber mit darauf folgender Machtübernahme wird unvermeidlich wieder zu Tyrannei führen, sobald sich der Widerstandskämpfer selbst auf der obersten Sprosse der Macht befindet, so Kott.

Dass diese Geschichtsauslegung nicht zwangsweise in Depression enden muss, sondern trotzdem zu einem unterhaltsamen Abend führen kann, bewies die Truppe rund um Regisseurin Sonja Vukicevic mit Inbrunst. Da wurde jongliert, mit Tandems und Rollschuhen gefahren, mit Reifen und Bällen getanzt, dazu gab’s schlecht erkennbare Kriegs-Projektionen (zwecks Aktualitätsbezug wahrscheinlich) und laute Musik von balkanesk-angehauchten Zirkusnummern bis hin zu Gypsy-Punk von Gogol Bordello oder dem Donauwalzer. Am Ende blutet schließlich die Erde – ein wenig pathosschwanger kam die ganze Geschichte daher.

Doch es passierte viel auf der Bühne, und das Publikum spendete freundlichen Applaus. Dass jede Veränderung nur alte Verhältnisse beschert, schien als Conclusio des Abends insgesamt aber ein bisschen zu wenig gewesen zu sein – zahlreiche Zuschauer der nicht ausverkauften Veranstaltung ließen ihre Hände ruhig im Schoß ruhen. Möglicherweise war aber auch einfach der serbische Originaltext mit den deutschen Übertiteln der Konzentration der Zuschauer bisweilen abträglich. So wurde insgesamt wohl nur ein Bruchteil des lakonischen Witzes der Performance wirklich rübergebracht.

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