Wiener Ensemble "Die Reihe" löst sich nach 60 Jahren auf

Es endete so, wie es einst begann: Mit einem Auftritt im Wiener Konzerthaus. Am 22. März 1959 präsentierte sich das im Jahr zuvor gegründete Ensemble Die Reihe erstmals der Wiener Öffentlichkeit. Nach sechs Jahrzehnten der Pionierarbeit und des Einsatzes für die Neue Musik ist nun Schluss. Am gestrigen Sonntag gab die vom Ehepaar Cerha und Kurt Schwertsik gegründete Formation ihr letztes Konzert.
Nach Allerheiligen und Allerseelen stand somit auch der Sonntag im Zeichen des Abschieds, konkret des Abschieds von einer Epoche der Neuen Musik. Schließlich brachte Die Reihe die nach Ständestaat und Nationalsozialismus praktisch inexistent Zweite Wiener Schule um Schönberg, Webern und Berg wieder zurück auf die Bühnen der Donaumetropole - was alles andere als eine leichte Aufgabe war.
Cerha und Schwertsik beim Abschied dabei
So kam es in den 1960ern zum Konflikt mit dem neuen Konzerthaus-Chef Peter Weiser, was zum zeitweiligen Auszug aus der Institution führte. Nach Jahren des Exils holte Weisers Nachfolger Hans Landesmann das Ensemble mit seinem Antritt 1978 dann wieder zurück an seinen Ursprungsstandort, wie sich die Reihe-Proponenten rund um den heute 93-jährigen Friedrich Cerha und den 84-jährigen Kurt Schwertsik am Sonntag in einer Gesprächsrunde vor dem Abschiedskonzert erinnerten.
"Dass wir den Skandal inszeniert hätten, um, wie von Böswilligen behauptet, Aufmerksamkeit für die 'reihe' zu erregen, war nicht der Fall", unterstreicht Gertraud Cerha in ihrem finalen Essay zur Geschichte der Reihe. Dass man allein schon mit der Programmauswahl manch zartes Gemüt provozierte, ist allerdings längst Geschichte, wie sich am Sonntag im Mozart-Saal zeigte.
Stehende Ovationen für das Ensemble
So schlugen die beiden letzten Reihe-Leiter HK Gruber und Christian Muthspiel zum Adieu einen typischen Bogen für die Arbeit des Ensembles in den vergangenen Jahrzehnten. Darunter fanden sich mit Edgard Vareses "Integrales" und Anton Weberns "Sechs Stücke für Orchester" auch zwei Werke, die man erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf die Bühne brachte. Ihnen zur Seite gesellten sich als Pendant zu Vareses Blech- und Percussionexzess Cerhas "Bruchstück, geträumt" mit seinem zarten Flageolettteppich und die Schwertsik-Uraufführung "4 Kinder - Toten - Lieder", dank ihrer infantilen Lebensfreude mit melancholischer Grundierung zwischen Chick Coreas "Children's Songs" und Mahlers "Kindertotenliedern" stehend.
Als letztes Stück der legendären Formation erklang dann Kurt Weills Suite aus der "Dreigroschenoper", nach betulichem Anfang alsbald ornamental umspielt und zum Finale hin furios. Mithin ein würdiger Abschluss für die lange Reise eines Ensembles, die am Ende mit Stehenden Ovationen bedacht wurde.
(APA/red)