Auch wenn in Zeiten der Krise auf manches verzichtet werden muss – die Nachfrage nach Lesestoff scheint ungebrochen. Laut Wirtschaftskammer konnte der Wiener Buchhandel im vergangenen August sogar ein leichtes Umsatzplus von 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erzielen. Auch die Geschäftsinhaber sprechen von konstanten Zahlen, große Ketten oder Online-Vertriebe wie Amazon sehen sie nicht als existenzbedrohende Konkurrenz.
“Viel Vergnügen für wenig Geld”, bringt Michael Kernstock, Obmann der Buch- und Medienwirtschaft in der Kammer, das Erfolgsrezept der gedruckten Ware auf den Punkt. Gerade in finanziell schwierigen Zeiten sei die leistbare “Rückverzauberung der Welt” wieder gefragt. Vorteile für große Ketten sieht Kernstock nicht, schließlich sei das Flächenwachstum, also die Eröffnung neuer Geschäfte, momentan eingedämmt: “Auch der kleine Buchhändler wird gestärkt aus der Krise hervorgehen.” Laut Kammer setzt der Wiener Buchhandel rund 230 Millionen Euro pro Jahr um.
Das Buch als “billiger Urlaub”
Ebenfalls positiv beurteilt Josef Pretzl, Geschäftsführer des österreichischen Marktführers Thalia, die Situation. Folglich werde man – nach einer Steigerung von 6,6 Prozent im Vorjahr – auch heuer wieder ein Umsatzplus verzeichnen können. Würden sich viele Menschen etwa bei Reisen momentan zurückhalten, ermögliche das Buch mit einem Durchschnittspreis von rund zehn Euro den “billigsten Urlaub”, ist der Thalia-Chef überzeugt. Er feiert heute, Mittwochabend, das zehnjährige Bestehen “seines” Hauses in der Mariahilfer Straße.
Von konstanten Umsatzzahlen spricht auch Michael Kratochvil von der Buchhandlung Kuppitsch. Zunehmende Bedrohung durch große Ketten für das familiär geführte Unternehmen, das kürzlich seinen 220. Geburtstag gefeiert hat, sieht der Belletristik-Abteilungsleiter nicht. Schließlich müssten diese große Flächen erhalten, hätten hohe Personalkosten und ein strafferes Controlling: “Dort heißt es: Wenn eine Filiale nicht funktioniert, dann abstoßen.”
Das kleine Geschäft punkte mit persönlicher Beratung und “Wohnzimmeratmosphäre”, ist Kratochvil überzeugt. Auch wenn Unternehmen wie Thalia ein breiteres Sortiment anböten: “Warm ums Herz wird einem dort nicht.”
Bücher und Bananen
Als “Insel der Seligen” bezeichnet Rotraut Schöberl, Inhaberin der Buchhandlung Leporello, die Lage in Wien. Dank “irre engagierter Lesesüchtiger” als Inhaber gebe es eine derart vielfältige Shop-Landschaft wie in kaum einer anderen Stadt. Beratungskompetenz und persönliche Kundenbindung seien das Geheimrezept der Einzelkämpfer. Natürlich gebe es anderswo eine oft größere Auswahl, aber man müsse eben abseits der Bestseller ein spezielleres, qualitatives Sortiment anbieten.
Reine Online-Vertriebe spüren sowohl Kuppitsch als auch Leporello. Allerdings versuche man mit eigenen Webauftritten etwas gegenzusteuern. “Natürlich können wir mit der portofreien Lieferung nicht mithalten”, räumt Schöberl ein. Sie bemerke aber vermehrt den Trend, dass Literaturliebhaber ganz bewusst den ortsansässigen Buchhandel unterstützen würden. Vom langfristigen Aussterben des gedruckten Lesestoffs hat die Leporello-Chefin jedenfalls keine Angst: “Das Buch ist eine ähnlich gute Erfindung wie die Banane”, argumentiert sie zuversichtlich.