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Wiener Apotheken-Angestellte betrieb illegalen Präparat-Handel: Prozess

Prozess gegen eine Apotheken-Angestellte in Wien
Prozess gegen eine Apotheken-Angestellte in Wien ©APA (Sujet)
Eine in einer Wiener Apotheke als pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin tätige Frau hat über Jahre Hinweg auf Kosten ihres Arbeitgebers einen illegalen Handel mit rezeptpflichtigen Präparaten betrieben. Beim Prozess in Wien wurde sie zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Wie die 30-Jährige am Mittwoch im Straflandesgericht zugab, bestellte sie seit 2011 regelmäßig das Wachstumshormon Humatrope und die Potenzmittel Viagra und Cialis.

“Hormonspritzen” für Bekannte

Ihr Nachbar – zugleich ein guter Freund ihres Lebensgefährten – verkaufte die “Hormonspritzen” an Bekannte, die im Kraftsportbereich und in der Bodybuilder-Szene reüssieren wollten und daher an einem raschen Muskelaufbau interessiert waren. Er selbst habe Humatrope nicht verwendet, versicherte der 44-Jährige dem Schöffensenat (Vorsitz: Claudia Moracev-Loidolt): “Ich war noch nie in einem Fitness-Studio, auch wenn ich vielleicht anders ausschau.” Das Viagra habe er verschenkt, erzählte der im Sanitär-Großhandel tätige Hüne: “Das hab’ ich meinen Installateuren gegeben. Die hat’s g’freut.”

Die Apotheken-Angestellte und ihr generöser Nachbar mussten sich nun wegen Untreue und schweren gewerbsmäßigen Diebstahls verantworten, wobei der 44-Jährige als Bestimmungstäter angeklagt war. Allein der Handel mit dem bei Bodybuildern begehrten “Wundermittel” Humatrope soll dem betroffenen Apotheker einen Schaden von über 400.000 Euro angerichtet haben. Die von den Verteidigern Rudolf Mayer und Peter Philipp prominent vertretenen Angeklagten bekannten sich grundsätzlich schuldig, bestritten aber die Höhe des inkriminierten Schadens.

Apotheken-Angestellte wollte helfen

Ihm sei eines Tages aufgefallen, dass ein Bekannter, mit dem er beruflich viel zu tun hatte, auffallend viele Wimmerln und Pusteln im Gesicht hatte, schilderte der 44-Jährige: “Er hat ausg’schaut wie a Golfplatz.” Als er ihn darauf angesprochen habe, habe der Hobby-Bodybuilder ihm verraten, dass er sich die benötigten Wachstumshormone über chinesische Online-Apotheken beschaffe. Da habe er sich an die Freundin seines guten Freundes erinnert, von der er wusste, dass sie in einer Apotheke beschäftigt war.

Er habe sie gefragt, ob sie ihm das Mittel besorgen könne, gab der 44-Jährige zu Protokoll. Er habe dem Bodybuilder “behilflich sein wollen”. Die Apotheken-Angestellte willigte ein, ihr Nachbar reichte die erste Spritze weiter. Der Hobby-Sportler soll begeistert gewesen sein, so der Angeklagte: “Er hat’s probiert und gesagt, das ist hochklassige Ware, das ist ganz ein anderes Körpergefühl.”

Illegale Geschäfte mit dem Nachbarn

In weiterer Folge intensivierten die 30-Jährige und ihr Nachbar ihre illegalen Geschäfte. Der 44-Jährige fand mehrere Abnehmer, die das Hormon teilweise auch weiterverkauft haben sollen. Der reguläre Einkaufspreis für eine Injektion beträgt 817 Euro. Die Angestellte überließ ihrem Nachbarn um 200 Euro pro Dosis, der seinerseits laut Anklage das Präparat um 300 bis 400 Euro weitergab.

Angeklagte für interne Kontrolle zuständig

Das gesetzwidrige Treiben der Assistentin fiel in der betroffenen Wiener Apotheke deswegen jahrelang nicht auf, weil es ausgerechnet in die Zuständigkeit der 30-Jährigen fiel, die Medikamenten-Bestellungen zu kontrollieren. Sooft sie die Mittel orderte, die sie an der Apotheke vorbei “weiterverscherbelte”, ließ sie umgehend die entsprechenden Bestell- und Lieferscheine verschwinden.

Im monatlichen Bestell-Verzeichnis, das in einen Ordner wanderte, bestätigte sie wiederum, sämtliche angeforderte Waren hätten ordnungsgemäß Eingang in den Lagerbestand gefunden. Erst als im März 2014 zufällig eine Kollegin sah, wie die 30-Jährige mit dem Wachstumshormon Humatrope nach Hause gehen wollte, das in der Apotheke bis dahin noch nie verkauft worden war, flog die Frau auf. Die Kollegin wurde stutzig, verständigte ihren Chef, und nach kurzer Zeit wurde diesem klar, was seine Mitarbeiterin angerichtet hatte.

Lieferscheine im Papierkorb

“Sie muss 200 bis 300 Lieferscheine in den Papierkorb geworfen haben”, erklärte der Apotheker nun im Zeugenstand. Bei einem jährlichen Umsatz von bis zu 15 Millionen Euro habe er “einfach nicht erkannt, wie die Ware gestohlen wurde. Ich war überrascht und am Boden zerstört, dass mich jemand über lange Zeit so bestohlen hat.”

Die 30-Jährige, die naturgemäß fristlos entlassen wurde, beteuerte, sie habe nur die Hälfte der von der Anklage umfassten Präparate verkauft. Sie habe auch nicht – wie ihr darüber hinaus unterstellt wurde – Lagerbestände im Wert von 4.000 Euro gestohlen. Grundsätzlich hätten dazu auch andere Kollegen – in der Apotheke sind derzeit 15 Angestellte tätig – Gelegenheit gehabt.

Auf die Frage, was sie mit ihrem Anteil aus der Beute – ihrer Aussage nach insgesamt höchstens 40.000 Euro, der Anklage zufolge mindestens das Dreifache dieser Summe – gemacht habe, erwiderte die Frau: “Ich hab’ a bissl was dazu verdient. Ich hab’ versucht, damit meinen Großeltern eine Freude zu machen.” Außerdem habe sie nach einem Totalschaden ihr Auto reparieren lassen: “Ich hab’ mich nicht so bereichern können. Ich hab’ mir auch einen Kredit aufnehmen müssen.”

Bewährungsstrafe für illegalen Präparathandel

Später am Mittwoch ist die Angestellte im Landesgericht wegen Untreue und gewerbsmäßigen Diebstahls zu zwei Jahren bedingt verurteilt worden. Ihr Nachbar, der die Mittel verkauft hatte, erhielt dieselbe Strafe.

Der 44-Jährige hatte das Wachstumshormon Humatrope um 300 bis 400 Euro im Bekanntenkreis “verscherbelt”. Der Schöffensenat ging von einem Schaden von 170.000 Euro aus und schloss sich damit der Aussagen der beiden Angeklagten an, sie hätten deutlich weniger als die ihnen angekreidete Menge verkauft. Der betroffene Apotheker, der sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hatte, bekam die 170.000 Euro zugesprochen. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Während die Verteidiger auf Rechtsmittel verzichteten, gab der Staatsanwalt vorerst keine Erklärung ab.

(apa/red)

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