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Wiener AKH droht Halbierung der OP-Kapazitäten

Dem AKH droht in Sachen OPs ein starker Engpass.
Dem AKH droht in Sachen OPs ein starker Engpass. ©APA
Dem AKH mit den Universitätskliniken der MedUni Wien steht die Halbierung der Operationskapazitäten bevor. Dies geht aus einer schriftlichen Stellungnahme eines verantwortlichen Chirurgen an die Austria Presse Agentur hervor.
Operationen verschoben
Neues Arbeitszeitgesetz

Der in verantwortlicher Position an der Universitätsklinik der MedUni Wien beschäftigte, international renommierte Spezialist stellte am Mittwoch in seinem Schreiben zunächst fest, dass er “wegen des Maulkorberlasses des Rektors”(Wolfgang Schütz; Anm.) nicht namentlich genannt werden möchte.

Ihm drohe sonst ein Disziplinarverfahren. Schütz hatte vor etwas mehr als einer Woche die Klinikchefs und Abteilungsleiter zum Schweigen zur derzeitigen Situation im AKH für die Zeit der Verhandlungen aufgefordert.

AKH: “Bereits 300 OPs verschoben”

“Wir haben seit 1. Jänner 2015 trotz aller Bemühungen, die Versorgung aufrecht zu erhalten, bereits 300 Operationen verschieben müssen. Wenn überfallsartig 48 Stunden im Arbeitszeitraum eingeführt werden sollten, gibt es in unserem Haus statt 40.000 nur noch 20.000 Operationen pro Jahr. Das wäre medizinisch, menschlich und ethisch ein Desaster”, erklärte der Chirurg.

Die Situation sei mehr als ernst. “Es liegen von unserem Verhandlungspartner, dem Rektor, Vorschläge auf dem Tisch, die zwar Erhöhungen der Grundgehälter vorsehen, aber auch eine Einhaltung der Mindestarbeitszeit laut dem neuen Gesetzerlass (48 Wochenstunden, Anm.). Wir haben aber bisher viel mehr arbeiten müssen, um die Versorgung der Bevölkerung in optimaler Weise sowie unsere Wissenschaftsleistung und die Lehre der Studierenden aufrechtzuerhalten”, schrieb der Wissenschafter.

“Dramatische Auswirkungen für Patienten”

Die Konsequenzen einer Umsetzung der Arbeitszeitregelungen ohne Aufstockung des ärztlichen Personals wären drastisch. “Wenn die AKH-Ärztinnen und -Ärzte ihr Opt-out (Bekunden der Bereitschaft, mehr als 48 Stunden im vorgeschriebenen Zeitraum zu arbeiten; Anm.) zurücknehmen müssten, werden wir trotz aller verzweifelten Bemühungen ab spätestens Anfang Mai nur noch einen Notbetrieb aufrechterhalten können: Die Zahl der Operationen würde dann mangels diensthabender Ärztinnen und Ärzte nach unseren Berechnungen auf die Hälfte reduziert werden müssen, was dramatische Auswirkungen auf unsere Patientinnen und Patienten hätte.”

Doch die Situation an den Wiener Universitätskliniken ist offenbar in Sachen Dienstzeiten, ärztliches Personal und auch in Sachen Arbeitszufriedenheit prekär. Der Chirurg: “Wir befinden uns in der eigentlich unfassbaren Situation, dass der Rektor der MedUni Wien (Wolfgang Schütz; Anm.) den verantwortlichen Abteilungsleitern einen Maulkorb verpasst hat und diese deshalb die Öffentlichkeit nicht über die bereits bestehenden Versorgungsnotstände im AKH, die sich rapide verschärfen werden, informieren dürfen, obwohl eindeutig Gefahr im Verzug ist.”

“Für Besorgnisse der AKH-Ärzte  unzugänglich”

Der Urheber dieser Maßnahme sei “derselbe Rektor, der aus unerfindlichen Gründen für die Besorgnisse der AKH-Ärzte völlig unzugänglich ist, sich nicht für zusätzliche Dienstposten einsetzt, auf einer maximalen Arbeitszeit von 48 Stunden innerhalb eines definierten Zeitraums beharrt, und damit Mitverantwortung an der erwartbaren Versorgungsmisere trägt. Der Rektor geht dieses Jahr in Pension, und handelt offensichtlich nach dem Grundsatz ‘hinter mir die Sintflut’.”

Man appelliere “deshalb an den zuständigen Wissenschaftsminister, Dr. Reinhold Mitterlehner, seinen Einfluss geltend zu machen und das AKH-Wien zu retten.” Neben der Gefährdung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung stehe auch der “exzellente Ruf des AKH als Institution der Lehre und Forschung auf dem Spiel”. Mit der deutlich verkürzten Arbeitszeit und ohne zusätzliches ärztliches Personal könnten Lehre und Forschung nicht mehr aufrechterhalten werden. Das AKH würde seine führende Position als akademische Institution zunehmend verlieren und was bisher erfolgreich aufgebaut wurde, würde leichtfertig aufs Spiel gesetzt.

Man werde jedenfalls in Zukunft die Öffentlichkeit “ab sofort laufend über die aktuellen Entwicklungen” informieren. Dies werde auch “ungeachtet des Sprechverbots durch den Rektor” erfolgen.

Einzelevaluierung der Abteilungen geplant

In der Streitfrage um den Abbau von 382 Ärztedienstposten im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) wurde nun erneut vereinbart, jede Abteilung einer individuellen Evaluierung zu unterziehen. Dabei soll die Leistung erhoben werden, um danach über den effizienteren Einsatz von Personal und Mittel zu entscheiden. Individuelle Dienstzeitlösungen seien möglich.

Das ist das Ergebnis eines am Mittwochnachmittag einberufenen Gespräch zwischen den Primarärzten der Spitäler des KAV und der Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) – zuvor hatten die Primarärzte in einem Brief an die Stadträtin Bedenken zur Umsetzung geäußert. Diese seien nun weitgehend ausgeräumt, meinte Ludwig Kramer, Primararzt und Kollegiensprecher am Krankenhaus Hietzing und einer der Unterzeichner des Briefes im Gespräch mit der APA.

Gespräch mit Wiener KAV

Es sei ein sehr positives, konstruktives und konsensuelles Gespräch gewesen, bei dem erneut zugesichert worden sei, dass die Abteilungsvorstände in die Umsetzung des neues Arbeitszeitgesetzes eingebunden werden. In Workshops soll die Leistung sowie der Personalbedarf der einzelnen Abteilungen erhoben und mittelfristig auch die Strukturen umgestaltet werden. Geplant sind etwa zentrale Erstversorgungszentren, die Patienten in der Nacht aufnehmen und versorgen bis diese in der Früh an die Spezialambulanzen weitervermittelt werden. So könnten dann auch Nachtdienste reduziert werden.

Die Evaluierungen sind teils bereits gestartet. “Jetzt wird geschaut, was braucht es wirklich und was nicht”, so die Gesundheitsstadträtin. Dabei gebe es natürlich auch die Möglichkeit, je nach Abteilung individuelle Dienstzeitmodelle zu entwickeln, wie auch Wehsely betonte. Die Umstellung werde generell schrittweise bis 2018 erfolgen – man habe nicht vor, alles von heute auf morgen umzusetzen.

Nachtdienste der Ärzte reduziert

Am Montag waren Pläne des KAV bekannt geworden, aufgrund des neuen Arbeitszeitgesetzes und vor allem der um ein Drittel reduzierten Nachtdienste bis 2018 382 Ärzte im Krankenanstaltenverbund abzubauen. Einige Primarärzte reagierten darauf in einem Brief an die Gesundheitsstadträtin mit Bedenken: Mit der Kürzung von 382 Ärzteposten sei unter den derzeitigen Rahmenbedingungen die Leistungserbringung in den KAV-Spitälern nicht aufrecht zu erhalten.

Die Personalreduktion sei vom KAV “unglücklich kommuniziert worden”, meinte dazu heute einer der Unterzeichner, Meinhard Kneussl, Primar am Wilhelminenspital. Nun wolle man die Kollegen informieren und so die entstandene Unruhe ausräumen. Die Ärztekammer hatte ebenfalls Widerstand angekündigt – notfalls auch das Aufschnüren der Ende Jänner verkündeten Einigung zwischen Stadt, KAV, Gewerkschaft und Ärztevertretern.

Klarstellung der Gewerkschaft

Auch die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe nutzte die Aufregung am Mittwoch für eine neuerliche Klarstellung per Aussendung. Entgegen kursierender Gerüchte sei jede Anwesenheit im Krankenhaus künftig bezahlte Dienstzeit. Jede Stunde über der Sollarbeitszeit – die Grundlage ist nun eine 40-Stunden-Woche – werde als Überstunde abgegolten. Feiertage würden die monatliche Sollarbeitszeit reduzieren.

(APA)

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