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Wien wird dreidimensional

Nachdem der vor einigen Jahren lancierte Hype um ortsbezogene Anwendungen abgeklungen ist, dürften mit geografischen Informationen verknüpfte Dienste laut Experten nun endgültig vor dem Durchbruch stehen.

Einen Hinweis darauf liefert Microsoft mit seinem Online-Kartendienst Virtual Earth: “Rechtzeitig zur EURO 2008 starten wir mit einer 3D-Ansicht von Wien”, erklärte Microsoft-Manager Josef Kauer gestern, Donnerstagabend, bei einer Podiumsdiskussion der APA-E-Business-Community.

Wien werde als erste Stadt Zentraleuropas dreidimensional dargestellt, weil Österreich seit der im Jahr 2006 durchgeführten Übernahme des Grazer Kartografie-Unternehmens Vexcel eine besondere Rolle im Konzern spiele, so Kauer. Nicht ganz ungelegen dürfte Microsoft aber auch die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft kommen. “Wir stehen kurz vor dem Sprung von einer 2D- zur 3D-Welt. Dadurch entsteht eine Plattform für ortsbezogene Dienste und Angebote”, gab sich der Manager überzeugt. Abgezielt wird dabei offensichtlich auf den boomenden, aber umkämpften Markt für Online-Werbung. “Wir haben zum Glück einen starken Mitbewerber, der uns auf Trab hält”, sagte Kauer.

Microsoft habe inzwischen viel Geld in Luftbilder und Satellitenaufnahmen investiert, sei aber auch am Boden mit Fahrzeugen unterwegs. Im Gegensatz zum Internetriesen Google, der sich mit Klagen konfrontiert sah, weil Menschen auf den Bildern erkennbar waren, setze Microsoft auf Persönlichkeitsschutz. Dazu würden die virtuellen Welten anonymisiert und Personen automatisch ausgeblendet. In Virtual Earth – dem Pendant zu Google Earth – gebe es bereits vom Flugzeug aus schräg aufgenommene Fotos. Die beispielsweise für Innsbruck, Klagenfurt oder Linz verfügbaren Aufnahmen seien aber erst eine Vorstufe zur tatsächlichen 3D-Darstellung. “Digitale Abbilder unserer Welt werden unsere Vorstellung vom Suchen und Finden im Web stark verändern”, so Kauer.

Die Voraussetzungen für eine höhere Akzeptanz durch die Nutzer und Möglichkeiten zur Positionsbestimmung seien durch mobiles Internet, GPS-fähige Handys und Kartenmaterial bereits ausreichend vorhanden, erklärte Alexander Szlezak von Gentics Software. Nun gelte es, die Komplexität der Infoangebote aus dem Internet zu reduzieren, um sie auf Handys, Navis, Laptops und PDAs zu bringen. Dadurch würden interessante Dienste wie ortsbezogenes Suchen, das Auffinden von Freunden oder Kulturführungen möglich.

“Der große Treiber dieser Entwicklung ist Werbung. Und die Industrie ist groß genug, um das Thema zu pushen”, erklärte Peter Hofbauer vom Spezialisten für mobile Lösungen Dimoco. Allerdings müsse man noch Überzeugungsarbeit leisten. Der kritische Faktor dabei seien personalisierte Angebote, um die Nutzer nicht zu langweilen. “Werbung am Handy, die nicht zielgerichtet ist, wird abgelehnt, weil hier kein Platz für unspezifische Information ist”, so Hofbauer.

In Deutschland werde mobile Werbung derzeit noch so breit gestreut wie in den Anfangszeiten der Onlinewerbung, kritisierte Rainer Friedl vom Consulter diamond:dogs. Die Infrastruktur für regionale Dienste sei aber inzwischen kein Thema mehr. Jetzt müssten benutzerfreundlichere Angebote und vernünftige Geschäftsmodelle entwickelt werden. Als positives Beispiel nannte Friedl die Schnittstellen von Google und Microsoft, die von den Programmierern inzwischen eifrig genutzt würden.

Es habe in der Vergangenheit aber auch einige Anwendungen gegeben, “die nicht abgehoben haben”, relativierte Sanja Boltek von Kapsch. Andere seien aus Datenschutzgründen erst gar nicht realisiert worden. “Jetzt veröffentlichen viele Internetnutzer sehr persönliche Informationen auf Facebook, MySpace oder YouTube”, so Boltek. Heuer gehe der Trend dazu, das sogenannte Web 2.0 sowie soziale Anwendungen mobil zu machen und mit geografischen Informationen zu verknüpfen. Das Motto laute: Menschen und Inhalte mit Orten und Events zu verbinden.

“Die Pläne, Content zu regionalisieren, haben praktisch alle Medien in der Schublade. Allerdings ist Geocodierung aufwendig”, ergänzte Martin Schevaracz von APA-IT. Zeitungen könnten aber durch eine professionelle Lösung ihre Inhalte am Handy anbieten und damit am Werbekuchen mitnaschen. Prädestiniert dafür wären beispielsweise Kleinanzeigen oder Immobilienangebote, bei denen man die gewünschte Wohngegend definiert und dementsprechende Angebote erhält. “Da wird sich einiges tun, weil hier Geld verdient wird”, sagte Schevaracz.

Eine weitere Möglichkeit, durch die Verknüpfung von realen Objekten mit der virtuellen Welt zu profitieren seien Bar-Codes, die einen mobilen Internet-Link beinhalten, meinte Thomas Hinterleithner von Gavitec. Wird ein entsprechender Code an einem Restaurant angebracht, können potenzielle Gäste, die mit einem Kamerahandy ein Foto davon machen, Bewertungen und Informationen über das Lokal abrufen. “Die Software dafür wird in zwei bis drei Jahren auf jedem Mobiltelefon vorinstalliert sein”, so Hinterleithner.

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