Wien Museum zeigt eindrucksvoll den "Kampf um die Stadt" um 1930
Abwechslungsreiche Schau
Empfangen wird der Besucher im ersten Stock von einer projizierten Foto-Folge von Lothar Rübelt. In diesem orange gehaltenen Ouvertüre-Raum wird u.a. die wachsende Motorisierung und Elektrifizierung der Stadt thematisiert. Kos: “Die Stadt wurde heller und schneller – zugleich sind aber die Schattenseiten deutlicher geworden.” Von hier startet der Rundgang durch insgesamt 17 auch farblich sehr unterschiedlich gestaltete Themenräume, die im ersten Stock Kapitel wie das “Rote Wien”, Freizeitkultur vom Gänsehäufel bis zu Wandervögeln und Skifahrern, sowie Heimatideologie behandeln. Alpenländische Trachtenmode galt in den 30er Jahren sogar in Übersee als chic. Auf einem kurzen Filmausschnitt ist Marlene Dietrich am Ufer des Wolfgangsees in Lederhose (das gute Stück ist auch ausgestellt) zu sehen, ein Schwarz-Weiß-Foto gegenüber zeigt eine Volkstanzaufführung im Gemeindebau.
Die tiefen Gräben, die Kos in der Zeit ortet, werden in vielen Aspekten behandelt, doch wo die Fronten im Kampf “Asphalt gegen Scholle, Wurzeln gegen Beweglichkeit, urban gegen anti-urban, Emanzipatives, Freies, Selbstbestimmtes gegen die Abwehrhaltung der konservativen, katholischen Seite” (Kos) genau verliefen, ist nicht immer eindeutig festzumachen. Auch in der Verwendung der modernen Technik, die nicht nur in den Haushalten und in der Werbebranche, sondern auch bei den Parteien Einzug gehalten hatte, “waren die Mittel des Kampfes politisch nicht zuordenbar”.
Im Erdgeschoß, wo auch eine relativ herkömmliche Kunstausstellung und ein entzückender Streifzug durch den Alltag anhand von Hüten, Handtaschen und Haushaltsgegenständen, modischen Kleidern und modernen Möbeln unternommen wird, manifestiert sich die “Zeit latenter Gewalt und aggressiver Propaganda” (Kos) schließlich auch in der Dokumentation der politischen Tragödien: Hier sind die Ausstellungsobjekte Gummiknüppel und Maschinengewehr; hier werden über einem angesengten Aktenstück aus dem Justizpalast anhand von Fotos minuziös die Ereignisse des 15. Juli 1927 rekonstruiert; hier wird bedrückend klar, dass der “Kampf um die Stadt” ein erbitterter Kampf war, in dem es tatsächlich ums Ganze ging.
Infos: