Wien: Messerattacke auf Billa-Angestellte
“Ich wollte nur einmal sehen, wie das ist, wenn man jemanden umbringt”, erklärte ein 27jähriger Wiener nach seiner Festnahme. Der Mann hatte am vergangenes Jahr nach Geschäftsschluss durch den Hintereingang eine Billa-Filiale in Wien-Liesing betreten. Als ihn eine 23jährige Angestellte hinausbegeleiten wollte, zückte er ein Fixiermesser und versetzte ihr einen Lungenstich. Staatsanwalt Franz Steif hat dieser Tage die Anklage vorgelegt: Der Täter wird sich demnach nicht – wie ursprünglich vermutet – wegen versuchten Mordes vor einem Schwurgericht zu verantworten haben.
Ein Psychiater bescheinigt dem 27jährigen Zurechnungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Attacke. Der Mann leidet dem Gutachten zufolge an einer höhergradigen geistigen Abartigkeit, die ihn in strafrechtlicher Hinsicht von der Verantwortung für sein Tun befreit. Die Anklagebehörde beantragt daher, den Betroffenen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen. Ein genauer Termin für das Verfahren steht noch nicht fest, da Richterin Ulrike Psenner, die die Verhandlung führen wird, derzeit im Urlaub weilt.
Dass sich der Täter nicht wegen eines Vorsatzdeliktes, sondern nach § 21 Strafgesetzbuch verantworten muss, hat für das Opfer eine unangenehme Begleiterscheinung: Die Frau hat keine Möglichkeit, sich dem Verfahren als Privatbeteiligte anzuschließen. Allfällige Schmerzensgeldansprüche – die lebensgefährlich Verletzte verbrachte längere Zeit im Unfallkrankenhaus Meidling und soll nach wie vor an den psychischen Folgen leiden – müsste die 23jährige somit in einem kostspieligen und langwierigen Zivilprozess einklagen.
Aber auch der Verteidiger des 27jährigen Wieners hat seine Schwierigkeiten: Als Rechtsanwalt Christian Werner seinen Mandanten kürzlich besuchen wollte, ließ ihm dieser ausrichten, er habe keine Zeit. Er wolle lieber schlafen. Der Advokat ließ sich jedoch nicht vertrösten: Er bat die Justizwache, ihn in jene Abteilung im Grauen Haus zu bringen, in der sein “Schützling” zur Zeit untergebracht ist. Dort dürften dann recht deutliche Worte gefallen sein.(6.8.99)