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Wien: Forschungen an Seidenspinner-Seide sollen zukünftigen Einsatz in Medizin zulassen

Seidenspinner-Seide für Nervenverletzungen und Kreuzbandrissen. / Symbolbild
Seidenspinner-Seide für Nervenverletzungen und Kreuzbandrissen. / Symbolbild ©Z1005 Waltraud Grubitzsch
Innovative Materialien bestimmen die Unfallmedizin der Zukunft, was für das Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie (LBI Trauma) in Wien Grund genug ist, an Seidenspinner-Seide, Stammzellen und Plazenta zu forschen.

In einer Kombination aus Wissenschaft und Klinik wird hier an “Maßnahmen zur Verbesserung der Unfallchirurgie und Intensivmedizin” gearbeitet, sagte Institutsleiter Heinz Redl. Das Erste, was nach einem Unfall geschehen muss, ist die Stillung der Blutung. Dem hypothetischen Opfer kann auf zwei Arten das Leben gerettet werden. Eine Möglichkeit ist die Applikation eines Vlieses auf die offene Wunde, ähnlich einem Pflaster. Diese Patches sind seit ein paar Jahren am Markt und wurden vom LBI mitentwickelt.

Ist die Wunde zu tief, injiziert man stattdessen eine Gelatine-Matrix mit einer Thrombinlösung und füllt die Wunden damit auf. Sobald die Mischung in Kontakt mit Blut gerät, reagiert sie und wird fest. Für das Erste-Hilfe-Set ist sie leider zu teuer, so kostet eine Injektion beispielsweise zum Verschließen einer Schuss- oder Stichwunde doch “um die 100 Euro'”, wie Medizintechniker Karl Kropik bei einem Journalisten-Workshop erklärte.

Ein wichtiges neues Material in der Unfallchirurgie der nahen Zukunft wird Seide sein, wenn es nach Forscher David Hercher geht. Er befasst sich mit Nervenverletzungen, von denen es “circa 300.000 pro Jahr in Europa gibt”. Das Nervensystem ist wie ein Baum, verdeutlichte er. Damit im Falle einer Verletzung die abgebrochenen Äste wissen, in welche Richtung sie neu austreiben müssen, braucht es Schienen. Wo früher harte Silikon-Röhrchen verwendet wurden, setzt Hercher stattdessen auf weichere, angenehmere Tuben aus Seidenspinner-Seide.

Ein paar Türen weiter setzt auch Andreas Teuschl, Chief Scientific Officer der Spin-off Firma MorphoMed auf Seide. An einem Modell des menschlichen Knies präsentierte er ein Kreuzband aus Seide, umgeben von Wachtelei-großen Kokons. In der Regel wird bei einem Kreuzbandriss eine körpereigene Sehne, beispielsweise ein Teil des Oberschenkelmuskels, als Ersatz für das gerissene Kreuzband verwendet.

In einer Zusammenarbeit mit der FH Technikum Wien hat das LBI ein Verfahren entwickelt, die Seidenfasern von ihrer äußersten, für die Medizin unbrauchbaren Schicht zu trennen und sie so zu einem geeigneten Material für einen Kreuzbandersatz zu machen. Das sofort belastbare Seiden-Seil “bleibt zwei bis vier Jahre im Körper und wird nach und nach in körpereigenes Gewebe umgewandelt”, erläuterte Teuschl. Bevor es zur klinischen Anwendung kommen kann, muss von MorphoMed noch die Reinraumproduktion abgeschlossen und Zulassung erfolgt sein. Nächstes Jahr, sagte Teuschl der APA, solle es klinische Studien geben, zurzeit wird noch am Schaf geforscht.

Tausende Tonnen menschliches Gewebe werden jedes Jahr allein in Europa entsorgt. Susanne Wolbank, Gruppenleiterin für Humane Stammzellen, findet dies schade. Denn ein großer Teil dieses Gewebes könnte aufbereitet und wieder für den Patienten verwendet werden. Am LBI forscht sie deshalb an der Extraktion von Stammzellen aus humanem Fettgewebe, ohne den bisher üblichen Einsatz von Enzymen. Ihre Kollegin Asmita Banerjee beschäftigt sich mit der menschlichen Plazenta. Das Amnion, die innerste der das Fruchtwasser umgebenden Eihäute, wird sorgfältig mit einer Pinzette von dem violetten Fleischbatzen heruntergezupft und kann dann, ähnlich wie ein durchsichtiges Pflaster, als Auflage für Wunden eingesetzt werden. “Wir verwenden rein humanes Material”, betonte Banerjee.

APA/red

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