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Wieder ein flotter Potter

Harry und die große Liebe - Wieder ein flotter Potter. "Harry Potter and the Order of the Phoenix" zeigt den Zauberlehrling in der Pubertät.

Auf Seite 403 ist es soweit. Nein, keine dramatische Begegnung mit Lord Voldemort, kein Kampf mit giftigen Basilisken oder gruseligen Dementoren. Diesmal wird es richtig ernst:
„Cho war ihm jetzt noch näher gekommen. Er hätte die Sommersprossen auf ihrer Nase zählen können. ’Ich mag dich wirklich, Harry.’ Er konnte nicht mehr denken. Ein prickelndes Gefühl breitete sich in ihm aus, lähmte seine Arme, Beine und sein Gehirn.“ Auf der nächsten Seite dann die entscheidende Frage: “ ’Hast du sie geküsst?’ Harry nickte.“

Der neue Potter wird die Fans nicht enttäuschen. Gewiss, Kritiker werden einwenden, dass wieder alles nach dem bekannten Schema abläuft, dass Handlung wie Schreibstil so berechenbar sind. Aber eines können sie redlicherweise doch nicht bestreiten: Auch der fünfte Band ist wieder spannend. Und trotz aller Wiederholungen fällt Joanne K. Rowling doch immer wieder etwas Neues ein.

Obwohl „Harry Potter and the Order of the Phoenix“ mit 766 Seiten noch ein Drittel länger ist als der letzte Band, kommt die Handlung diesmal schneller in Gang. Als Einstieg in die Potter-Welt ist das Buch gleichwohl nicht geeignet – als Muggle (Nicht-Zauberkundiger) beginne man mit Band 1. Denn Fachtermini wie Portschlüssel, Schnatz, Denkarium, Parsel und Quaffel werden inzwischen als bekannt vorausgesetzt.

Auch die vielen Nebenhandlungen – über die Rowling beim Schreiben mittels eines Zettel- und Tabellensystems den Überblick behält – erfordern gewisse Vorkenntnisse. Für Insider: Diesmal wird unter anderem geklärt, warum Severus Snape so einen Hass auf Harrys Eltern hat, warum Harry in den Ferien immer wieder zu den Dursleys zurück muss und warum Voldemort Harry schon als Baby töten wollte.

Die größte Überraschung des Buches ist Harry selbst. Er befindet sich, wie von Rowling angekündigt, „voll in der Pubertät“. Und das bedeutet nicht nur, dass er sich verliebt und von seiner besten Freundin Hermine in die Feinheiten weiblicher Beziehungspsychologie eingeführt wird. Der 15-Jährige gebärdet sich stellenweise wie ein Halbstarker. Die traditionelle Schluss-Szene bei Schuldirektor Albus Dumbledore verläuft diesmal etwas anders: Harry brüllt herum und demoliert das Büro der früher so ehrfürchtig verehrten Respektsperson.

Zu einer Satire auf die britische Bildungspolitik wird das Buch, wenn die Bürokraten im Zauberei-Ministerium auf Eltern-Beschwerden hin einen Großinquisitor zur Inspektion der Privatschule Hogwarts abstellen. Hier spricht Rowling als ehemalige Lehrerin, die mit den verstärkten Kontrollen des Lehrpersonals durch das Londoner Bildungsministerium wohl alles andere als einverstanden ist.

Das sind die starken Szenen des Buches. An den Rand des Kitsches gerät Rowling immer dann, wenn sie ihrer Neigung zum Pathos nachgibt. Da ist dann von der „Ankunft des Erlösers“ die Rede, vom eingeborenen Sohn, von Kindermord und Leidensweg. Heiland Harry muss die Welt retten und stellvertretend leiden – das lässt fürs Ende im übernächsten Band Arges befürchten.

Und wer stirbt nun? Nicht Harry, nicht Ron, nicht Hermine, nicht Dumbledore, nicht McGonagall, nicht Hagrid – also keiner von den ganz Wichtigen. Britische Fernsehreporter haben am Wochenende immer wieder versucht, Kindern, die das Buch schon gelesen hatten, den Namen zu entlocken. Aber natürlich würden nur Muggles ein solches Geheimnis preisgeben.

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