AA

Wie Rechte auf dem Mittelmeer "Europa verteidigen" wollen

Mit der "C-Star2 hier noch unter ihrem alten Namen "Juunta", wollen die Aktivisten der "Identitären Bewegung" Flüchtlinfge davon abhalten, nach Europa zu gelangen.
Mit der "C-Star2 hier noch unter ihrem alten Namen "Juunta", wollen die Aktivisten der "Identitären Bewegung" Flüchtlinfge davon abhalten, nach Europa zu gelangen. ©dpa/Hasenpusch
Auf der Echtzeitkarte der Schiffsbewegungen im Mittelmeer ist die "C-Star" nur ein Pfeil von vielen. Doch der Pfeil wird derzeit mit großer Sorge beobachtet. Ein Dutzend junger Rechter will vor der Küste Libyens "Europa verteidigen" und Flüchtlinge, die sich auf das Meer hinausgetraut haben, zurück in das Bürgerkriegsland bringen. Hinter der Mission steht die rechtsextreme "Identitäre Bewegung".

Von Libyen aus brechen die meisten Menschen in seeuntüchtigen Booten auf. Auf dem Seeweg erreichten seit Jahresbeginn schon mehr als 112.000 Menschen die Küsten Europas. Die Aktion “Defend Europe” richtet sich nicht nur gezielt gegen diese Migranten, sondern auch gegen Hilfsorganisationen, die die Menschen im Mittelmeer aus Seenot retten und an Land bringen.

Die “Identitäre Bewegung” inszeniert sich jung und modern. Der Verfassungsschutz in Österreich und Deutschland haben die rechtsextreme Gruppierung mit französischen Wurzeln unter Beobachtung. Die Identitären machen immer wieder mit Aktionen von sich reden. Im vergangenen Frühling stürmten die rechtsradikalen Aktivisten eine Theateraufführung an der Uni Wien. Ihre deutschen Kollegen besetzten im Sommer das Brandenburger Tor und enthüllten am Wahrzeichen der Hauptstadt Banner mit der Aufschrift: “Sichere Grenzen – Sichere Zukunft”.

“Zunehmend radikalisiert”

Die rechtsradikale Bewegung wendet sich gegen “Multikulti-Wahn”, “unkontrollierte Massenzuwanderung” und den “Verlust der eigenen Identität”. Dem österreichischen Verfassungsschutz zufolge gefährden die “gesellschaftszersetzenden Kommunikationsstrategien” der Identitären das “friedliche Zusammenleben liberaler Demokratien”. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise habe sich die Bewegung zunehmend radikalisiert, heißt es beim deutschen Verfassungsschutz.

Die Aktion “Defend Europe”, die in sozialen Medien mehrsprachig und von bekannten Gesichtern der internationalen Neuen Rechten wie der US-Autorin und Youtuberin Brittany Pettibone promotet wird, nimmt im Mittelmeer so langsam Gestalt an. Die gecharterte, 40 Meter lange “C-Star” mit Platz für 100 bis 200 Menschen steuert – nach einigen Tagen Kontrollstopp vor dem Suezkanal – in Richtung Sizilien, Ziel ist die Hafenstadt Catania. Am Dienstag verortete “Marine Traffic” sie an der östlichen Küste Zyperns.

“Diese “Mission” scheint den einzigen Zweck zu haben, Konflikte anzustacheln”, sagt der Bürgermeister Catanias, Enzo Bianco. Er droht den rechten Aktivisten damit, das Anlegen des Schiffes zu verhindern. Von einer Verteidigung Europas zu sprechen sei “demagogisch”.

Feindbild Hilfsorganisationen

Aus Sicht der rechten Aktivisten sind nicht sie die Unruhestifter. Ihr Feindbild sind die Hilfsorganisationen, die – wie die italienische Küstenwache, Handelsschiffe oder Schiffe der EU-Mission Sophia – Migranten retten und nach Italien an Land bringen.

Sie seien diejenigen, die für die Tausenden Ertrunkenen im Mittelmeer verantwortlich seien, heißt es auf der Internetseite von “Defend Europe”. Die privaten Seenotretter seien “Kriminelle”, die nicht davor zurückschreckten, mit Menschenschleppern zusammenzuarbeiten. Den Vorwurf findet man längst nicht mehr nur im rechtsextremen Spektrum. Ein sizilianischer Staatsanwalt brachte ihn im April ebenfalls hervor – ohne Beweise vorzubringen.

Aktivisten könnten selbst Menschen retten müssen

Die Aktivisten von “Defend Europe” könnten bei ihrer Aktion allerdings auch selbst zu Flüchtlingsrettern werden – denn wer auf See in Lebensgefahr gerät, muss in Sicherheit und an den nächstgelegenen sicheren Hafen gebracht werden. Die Seenotrettungsleitstelle in Rom, die für das gesamte Mittelmeer zuständig ist und alle Rettungseinsätze koordiniert, könnte auch die “C-Star” anweisen, eine Rettung auszuführen.

Wenn nötig, werde man sich auch an Rettungseinsätzen beteiligen, sagt der Co-Vorsitzende der “Identitären” in Deutschland, Daniel Fiß. Und was, wenn sie angewiesen werden, die Menschen nach Europa zu bringen? “Dann müssen wir uns an das Seerecht halten”, sagt Fiß. Der Chef der Identitären Österreichs, Martin Sellner, befindet sich bereits in Catania, wie ein am Sonntag auf seinem Youtube-Kanal veröffentlichtes Video zeigt.

Bisher hätten sie mit der Rettungsleitstelle aber noch keinen Kontakt gehabt, sondern nur mit der libyschen Küstenwache. Die Aktivisten von “Defend Europe” wollen mindestens bis Mitte August im Mittelmeer bleiben.

(APA/dpa)

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • Wie Rechte auf dem Mittelmeer "Europa verteidigen" wollen
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.