Der rein ökonomische Effekt eines Austritts Großbritanniens aus der EU wäre relativ gering, entscheidend sei, wie ein allfälliger Brexit-Entscheid umgesetzt werde, sagte Wifo-Chef Karl Aiginger am Donnerstag. Bei einem “Remain” würde die Unsicherheit wegfallen, es seien sogar positive Auswirkungen möglich, etwa wenn Europa dynamischer werde. Helmut Hofer vom IHS erwartet einen Verbleib in der EU.
Bei “Remain” würde Unsicherheit wegfallen
Großbritannien selbst müsste im Falle einer “Leave”-Entscheidung “0,2 bis 0,4 Prozent” Wachstumsverlust für seine Wirtschaft hinnehmen, sagte Aiginger bei der Vorlage der jüngsten Konjunkturprognose. In der EU würde der Verlust 0,1 Prozent ausmachen, Österreich würde auch etwa in diesem Bereich liegen.
Bei einem “Remain” würde eine Unsicherheit wegfallen, das könnte dann einen positiven Effekt auch in dieser Größenordnung von 0,1 Prozent Plus haben. Der Positiveffekt könnte umso größer sein, je dynamischer Europa werde, wie es eigentlich nötig sei. Das sei wichtiger als der rein ökonomische Brexit-Effekt, so der Wifo-Chef.
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Keine Folgen für Austro-Exporte
Ein möglicher Volksentscheid zugunsten eines Austritts Großbritanniens aus der EU sollte keine unmittelbaren Folgen für Österreichs Exportwirtschaft nach sich ziehen, verweist das Wifo auf die bis zu zweijährige Übergangsfrist gemäß Lissabon-Vertrag. Mögliche Finanz- und Devisen-Turbulenzen könnten aber Negativeffekte auslösen, die jetzt noch nicht abschätzbar seien.
Ein “Brexit” würde die Unsicherheit über die Ausgestaltung der europäischen Institutionen weiter erhöhen, meint das Institut für Höhere Studien (IHS), doch sollten die kurzfristigen direkten Effekte für Österreich wegen der vergleichsweise niedrigen Intensität der ökonomischen Verflechtungen gering ausfallen, wird betont.
IHS-Hofer rechnet nicht mit Brexit
Der wirtschaftspolitische Experte des IHS, Helmut Hofer, nimmt an, dass die Briten heute “eher to stay, not to leave” entscheiden werden. “Wir unterstellen in unserer Prognose, dass es keinen Brexit gibt”, sagte Hofer vor Journalisten. Österreich sei etwa weniger stark als Deutschland mit Großbritanniens Wirtschaft verflochten, rund 3 Prozent der Austro-Exporte würden dorthin gehen und etwa 1,8 Prozent der Importe von dort kommen.
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Deutsche Autoindustrie warnt vor Schaden
Am Entscheidungstag über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens hat die deutsche Autoindustrie vor den Konsequenzen des Brexit gewarnt. “Wir hätten schon enorme Herausforderungen zu bewältigen, wenn die Brexiteers gewinnen würden”, sagte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag in Frankfurt.
“Ich hoffe, dass uns das erspart bleibt.” Auch der Chef der Lkw-Sparte von Daimler, Wolfgang Bernhard, warnte vor negativen Folgen für die Nutzfahrzeugindustrie und einem großen politischen Schaden für die Europäische Union. “Im Moment bröckelt das alles. Ich kann mir nur wünschen, dass wir dieses Referendum, egal wie es ausgeht, zum Anlass nehmen, über Europa nachzudenken”, sagte er.
Rund 100 Produktionsstätten auf der Insel
Deutsche Autobauer und Zulieferer hätten in Großbritannien rund 100 Produktionsstätten, sagte Wissmann. Großbritannien sei nach den USA der größte Exportmarkt für Fahrzeuge aus Deutschland, und umgekehrt sei Kontinentaleuropa der wichtigste Absatzmarkt für Hersteller auf der Insel. “Wenn es zu einem Handelskonflikt Großbritanniens mit der Europäischen Union käme, wäre der Schaden für alle enorm und kaum abschätzbar”, ergänzte der VDA-Chef. Für die gerade erst wiederbelebte britische Industrie wäre das ein schwerer Rückschlag. “Und es würde sicher an bestimmten Stellen auch zu einer Standortverlagerung kommen”, warnte Wissmann. Daimlers Lkw-Vorstand forderte eine politische Diskussion über einen “New Deal” für die EU. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe gesagt, es sei nicht mehr Europa notwendig, sondern ein besseres. “Das ist ein guter Gedanke”, sagte Bernhard.
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