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Wer steuert Europa in der Krise - Tusk oder Merkel?

Nach dem EU-Gipfel bleiben viele Fragen offen
Nach dem EU-Gipfel bleiben viele Fragen offen ©APA
Der EU-Gipfel vertagte seine Entscheidung über das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. Nach dem Spitzentreffen bleiben viele Fragen offen - wie die nach der Führung Europas.
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Eigentlich sollte der EU-Türkei-Gipfel nach einem Mittagessen am Montag enden. Da der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu aber ein neues Paket zum Entschärfen der Flüchtlingskrise im Gepäck hatte, verhandelten die EU-Chefs zwölf Stunden lang bis zum frühen Dienstagmorgen. Dann die Ankündigung: Einen endgültigen Beschluss zum Flüchtlingsabkommen mit der Türkei soll es erst beim nächsten Gipfel Ende kommender Woche (17./18. März) geben.

Viele EU-Chefs waren von der umfassenden Offerte aus Ankara überrascht. EU-Ratspräsident Donald Tusk sah aber keine andere Möglichkeit, als das Papier zu verhandeln. Zu wichtig, zu bedeutsam, so lautete die Einschätzung im EU-Gipfelgebäude im Brüsseler Europaviertel.

Wer trägt die Verantwortung

Wer trägt die Verantwortung für diesen chaotisch anmutenden Gipfel und den sich abzeichnenden Deal mit der Türkei? Tusk, der die Debatten vorbereitet und leitet, der erst am Donnerstag vergangener Woche mit Davutoglu in Ankara das Spitzentreffen vorbereitet hatte? Oder Kanzlerin Angela Merkel, die in der Nacht unmittelbar vor dem Brüsseler Gipfel mit Davutoglu und dem niederländischen Premier Mark Rutte stundenlang konferierte? Oder Davutoglu, der mächtige Mann aus Ankara, der die EU-Chefs mit seinem neuen Plan verblüffte?

Den liberalkonservativen Tusk stört es zunächst nicht sonderlich, wenn sich Spitzentreffen in die Länge ziehen. Der Pole versucht, in kleinen Gruppen Kompromisse auszuloten – und das braucht Zeit. Beim Februar-Gipfel, der neue Ausnahmen für Großbritannien zur Verhinderung eines “Brexits” beschloss, ließ Tusk ein “englisches Frühstück” ankündigen – diese Mahlzeit geriet wegen zahlreicher Verzögerungen zum “englischen Dinner”.

Aus seinem Haus kam keine Kritik an dem Extratreffen von Merkel, Davutoglu und Rutte. Es war vielen Beteiligten klar, dass es ohne die nächtliche Begegnung in der türkischen EU-Botschaft wohl keinen Vorschlag für Rückführung und Umsiedlung von Flüchtlingen gegeben hätte.

Merkel lobt türkischen Plan

Merkel lobte nach dem Abschluss des Gipfels Davutoglus Plan ausdrücklich. Dieser sieht unter anderem vor, dass die EU alle unerlaubt einreisenden Migranten von den griechischen Inseln wieder in die Türkei zurückschicken kann. Syrische Bürgerkriegsflüchtlinge sollen zudem von der Türkei aus in einem geordneten Verfahren in die EU kommen – die Lastenteilung für die Aufnahme tausender Menschen ist aber noch offen.

Geplante RŸcknahme von FlŸchtlingen, Visumpflicht und Hilfsgelder GRAFIK 0266-16, 88 x 132 mm
Geplante RŸcknahme von FlŸchtlingen, Visumpflicht und Hilfsgelder GRAFIK 0266-16, 88 x 132 mm ©Geplante RŸcknahme von FlŸchtlingen, Visumpflicht und Hilfsgelder GRAFIK 0266-16, 88 x 132 mm

Diese Offerte, so Merkel, könne eine “qualitative Veränderung” mit sich bringen, falls sie in die Tat umgesetzt werde. Die Frage der Urheberschaft ist für die CDU-Chefin ganz klar: “Der Plan kam eindeutig von der Türkei.” So sieht dies auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras, ein Verbündeter Merkels in der Flüchtlingskrise. “Die Wahrheit ist, dass die Türkei mit attraktiven Vorschlägen zum Gipfel kam. Ich glaube, dass hat viele überrascht.”

Türkei-Abkommen sorgt für Kritik

Das geplante Türkei-Abkommen sorgt bereits für heftige Kritik. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) wehrt sich gegen die Pläne zur Rücksendung von Migranten aus Griechenland in die Türkei: “Kollektive Abschiebungen sind verboten”, meint der Europa-Bürodirektor des Hilfswerks, Vincent Cochetel. Das Vorgehen könnte gegen europäisches und internationales Recht verstoßen.

Die EU und die Türkei haben bis zum nächsten Gipfel noch viel Arbeit vor sich. Dabei geht es unter anderem um die vorgezogenen Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger. Der französische Staatspräsident Francois Hollande wies schon einmal vorsorglich darauf hin, es müssten allein dafür 72 Einzelkriterien erfüllt werden. Falls dies nicht gelinge, sei auch der neue Termin im Juni unhaltbar, warnte der Herr des Elyseepalastes.

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