Die Umgebung mache sich oft Vorwürfe, nichts getan oder bemerkt zu haben, weiß Cornel Binder-Krieglstein vom Berufsverband der österreichischen Psychologen (BÖP). Dass man das Treiben eines Täters hätte bemerken müssen, weil er “nur fünf Meter entfernt gewohnt hat, ist aber ein Trugschluss oder ein Wunsch.”
Grundsätzlich müssten sich Täter ja vom sozialen Umfeld abschotten, damit ihre Taten von der Gesellschaft nicht wahrgenommen werden: “Er muss sich also zurückziehen. Der Rückzug wird mehr oder weniger geplant und durchgeführt”, so der Experte. Der Täter baue sich also ein Konstrukt aus Lügen. Demnach könnten Nachbarn durchaus nichts bemerken, weil ihnen dazu einfach die Information dafür gefehlt hat und der Täter seine Taten gut kaschiert hat.
“Bei solchen Erlebnissen kommt die eigene Betroffenheit dazu, das Alleingelassen-Werden, das Hilflos-Sein. Jeder Mensch hat das in sich und kennt das aus der eigenen Geschichte”, meinte Binder-Krieglstein. Kommen Straftaten wie im aktuellen Fall in Amstetten ans Licht, würde diese eigene Betroffenheit, diese Gefühle unterschiedlich stark aktiviert. Das sei auch ausschlaggebend dafür, wie gut man damit umgehen könne, dass sich der “nette Typ von nebenan” plötzlich als Straftäter entpuppt. Sinnvoll könnte es sein, unter der Leitung eines Experten eine offene Gesprächsgruppe zu bilden, empfahl Binder-Krieglstein.
Kinder müssten über solche Vorfälle dem Alter entsprechend aufgeklärt werden, so der Experte. “Man muss ihnen eine Möglichkeit geben, damit umgehen zu können.” So würden die Kleinen z. B. die Geschichte mit ihren Puppen nachspielen. “Wenn es aber Auffälligkeiten gibt, dann sollte man psychologische Hilfe aufsuchen.”