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Weltbank: Europa gegen Wolfowitz

Die Nominierung von US-Vizeverteidigungsminister Wolfowitz als künftiger Weltbank-Chef hat in Europa Kritik ausgelöst. Weltbank-Kreise: Cie Chance der Europäer sei gering, die Ernennung zu verhindern.

Wolfowitz gehörte zu den Planern und stärksten Befürwortern des Irak-Kriegs und gilt zudem als ausgesprochen konservativer Vertreter der US-Außenpolitik. Offenbar um Widerstand zuvorzukommen, hatte US-Präsident George W. Bush vor Bekanntgabe der Nominierung die Kriegskritiker, Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac, sowie andere Staats- und Regierungschefs angerufen. Erste Reaktionen fielen dann dennoch negativ aus: „Die Begeisterungsstürme im alten Europa halten sich in engen Grenzen“, sagte etwa Deutschlands Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

In europäischen Weltbank-Kreisen hieß es, Wolfowitz’ Name sei in den vergangenen Wochen bereits informell unter den Mitgliedern des Direktoriums zirkuliert und abgelehnt worden. US-Finanzminister John Snow habe gewusst, dass die Reaktion nicht zu Wolfowitz’ Gunsten ausfalle. „Die Nominierung von Herrn Wolfowitz heute zeigt uns, dass den USA egal ist, was der Rest der Welt denkt“, hieß es.

Trotz des Widerstands sind die Möglichkeiten der Europäer im Direktorium der Weltbank begrenzt, die Ernennung zu verhindern. Die USA haben den größten Anteil an den Kapital-Einlagen des Instituts und daher das größte Stimmengewicht, gefolgt von Japan, Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Zudem stellen die USA traditionell den Präsidenten der Weltbank, während Europa den Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) auswählt.

Wolfowitz schlug in seiner ersten Stellungnahme nach der Nominierung versöhnliche Töne an. „In einer solchen Aufgabe verstehe ich mich als internationaler Beamter, der an ein multinationales Direktorium berichtet und sich die Ansichten aller Mitglieder anhört“, sagte der 61-Jährige. Bush lobte Wolfowitz als Mann mit viel Erfahrung und großen diplomatischen Fähigkeiten. Er werde ein starker Präsident der Weltbank werden, sagte Bush. Der gebürtige Australier soll im Juni Amtsinhaber James Wolfensohn ablösen, der den Chefsessel bei dem Institut nach zehn Jahren räumt.

Der bei der US-Wahl unterlegene Präsidentschaftskandidat John Kerry schloss sich der europäischen Kritik an Wolfowitz an. „Die Nominierung lässt mich fragen, ob die Ankündigungen der Regierung, die Gräben zu den Partnern wieder zu schließen, nicht doch nur bloße Lippenbekenntnisse sind“, sagte er. Der französische Außenminister Michel Barnier riet umgehend dazu, den Vorschlag im Vergleich zu anderen Kandidaten noch einmal zu prüfen. Als weitere Kandidaten für den Chefposten galten bis zuletzt die Ex-Chefin des US-Computerkonzerns Hewlett Packard (HP), Carly Fiorina, und US-Arbeitsministerin Elaine Chao.

In Schwellenländern wie Ägypten äußerten Experten die Sorge, Wolfowitz stehe für eine Politik des freien Marktes, ohne zugleich angemessen für die Armen zu sorgen. In diesem Sinne warnten auch Hilfs- und Umweltorganisationen wie Oxfam und Greenpeace davor, dass die Weltbank unter Wolfowitz’ Führung das Ziel einer Bekämpfung der Armut aus den Augen verlieren werde. Die Weltbank vergibt langfristige Kredite an Länder und soll den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer weniger entwickelten Mitgliedstaaten fördern.

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