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Putins Energie-Krieg: Ukraine muss Strom abschalten

Seit 10. Oktober startete Putins Armee mehr als 300 Luftangriffe auf ukrainische Energieanlagen.
Seit 10. Oktober startete Putins Armee mehr als 300 Luftangriffe auf ukrainische Energieanlagen. ©AP, State Emergency Service of Ukraine/Handout via REUTERS
Nach massiven russischen Angriffen auf die Infrastruktur hat die Ukraine mit Stromabschaltungen im ganzen Land begonnen.
Krieg gegen ukrainische Infrastruktur
Putin verhängt den Kriegszustand

Russland habe seit dem 10. Oktober mehr als 300 Luftangriffe auf Energieanlagen geflogen. Nach jüngsten Angaben der Regierung in Kiew sind mittlerweile rund 40 Prozent der ukrainischen Energie-Infrastruktur beschädigt.

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Der Norwegische Flüchtlingsrat appellierte am Donnerstag an beide Kriegsparteien: "Der Winter darf nicht als Kriegswaffe eingesetzt werden".

Ukrainer sollen Energie sparen

Als Reaktion auf die russischen Luftangriffe auf Kraftwerke und andere kritische Infrastruktur strebt die ukrainische Regierung eine landesweite Verringerung des Energieverbrauchs um 20 Prozent an. Die Bevölkerung sei dem Aufruf zu Stromsparen bereits gefolgt, sagt Energieminister Herman Haluschtschenko im Fernsehen. Es werde ein freiwilliger Rückgang des Verbrauchs verzeichnet. "Aber wenn das nicht ausreicht, sind wir gezwungen, Zwangsabschaltungen vorzunehmen." Der ukrainische Versorger Ukrenergo kündigte Engpässe bis 22.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) an.

Winter bereitet Sorgen

Es sei notwendig, von 07.00 Uhr bis 23.00 Uhr den Stromverbrauch zu minimieren, sagte ein Selenskyj-Berater. Wenn dies nicht geschehe, müsse man sich auf vorübergehende Stromausfälle vorbereiten. Zugleich gab es Appelle, Powerbanks, Batterien und Taschenlampen bereit zu halten. Der ukrainische Netzbetreiber Ukrenergo stellte danach klar, dass die Strom-Einschränkungen nur am Donnerstag gelten sollen. Hintergrund sei ein Kapazitätsmangel im System, heißt es in einer Erklärung auf Telegram. Allerdings könnte mit Einbruch der Kälte nicht ausgeschlossen werden, "dass wir Sie noch häufiger um Hilfe bitten müssen".

Stromsparen in Kiew

In der Hauptstadt Kiew soll am Donnerstag die Fernwärme wieder angeschaltet werden, wie Bürgermeister Vitali Klitschko mitteilte. Die Reparatur- und Rettungsdienste seien um zehn Prozent aufgestockt worden. Klitschko rief die Bürger der Hauptstadt zum Stromsparen auf. Sie sollten keine Heizlüfter oder Klimaanlagen nutzen. Befürchtet wird, dass sich der Notstand im Lauf des Winters massiv verschärft. Fachleute versuchen, die Schäden so gut wie möglich zu beseitigen.

Kraftwerke beschossen

Die Schäden am Wärmekraftwerk in Burschtyn im Westen der Ukraine sind der Gouverneurin der Region zufolge beträchtlich. Das Kraftwerk sei am Mittwoch bei einem russischen Angriff getroffen worden. "Leider gab es Zerstörung, und die ist beträchtlich", sagt Switlana Onyschtschuk, Gouverneurin der Region Iwano-Franiwsk, im ukrainischen Fernsehen.

Winter als Kriegswaffe

Der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) hat einen Stopp der russischen Angriffe auf die Bevölkerung und die zivile Infrastruktur in der Ukraine gefordert. "Alle Kriegsparteien müssen das internationale Völkerrecht achten und sicherstellen, dass Zivilisten und die zivile Infrastruktur in diesem Konflikt geschützt werden", sagte NRC-Regionaldirektor Carlo Gherardi laut einer Mitteilung vom Donnerstag. "Der Winter darf nicht als Kriegswaffe eingesetzt werden." Gherardi warnte zudem vor einer neuen Fluchtbewegung im Winter. "Wenn sich das Wetter verschlechtert, werden die Menschen vor die verzweifelte Wahl gestellt, dort zu bleiben, wo sie sind, oder ihre Sachen zu packen und an einen anderen Ort in der Ukraine oder in die Nachbarländer zu ziehen", sagte er.

Ukrainische Offensive läuft

Die ukrainischen Streitkräfte treiben ihre Offensive gegen die russischen Invasionstruppen in der südlichen Region Cherson nach eigenen Angaben voran. Dort seien 43 russische Soldaten getötet und sechs Panzer sowie andere Ausrüstung zerstört worden, teilt das Militär am Donnerstag mit.

Am Mittwoch hatte die von Russland eingesetzte Verwaltung in Erwartung eines ukrainischen Angriffs eine Evakuierung in dem besetzten Gebiet und auch in der gleichnamigen Regionalhauptstadt Cherson angeordnet.

Die russische Führung erwägt britischen Militärexperten zufolge einen größeren Rückzug ihrer Truppen aus dem Gebiet um die ukrainische Stadt Cherson westlich des Flusses Dnipro im Süden der Ukraine. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Donnerstag hervor. Ein solches Vorhaben werde jedoch erschwert durch die Tatsache, dass alle permanenten Brücken über den einen Kilometer Meter breiten Fluss schwer beschädigt seien, hieß es in der auf Twitter verbreiteten Mitteilung weiter. Russland müsste sich demnach höchstwahrscheinlich stark auf eine temporäre Brücke aus Lastkähnen verlassen, die nahe Cherson kürzlich fertiggestellt wurde sowie auf militärische Ponton-Fähren, so die Einschätzung der britischen Experten.

Russische Drohnen abgeschossen

Im Raum Mykolajiw hat die ukrainische Luftwaffe eigenen Angaben zufolge erneut 14 Shahed-136-Drohnen abgeschossen. In Beryslav habe man zwei russische Munitionslager zerstört, teilte die Nachrichtenagentur Ukrinform mit.

Vormarsch der Russen in Donezk

In der Ostukraine an der Grenze zu Russland konzentrierten sich die russischen Streitkräfte dem ukrainischen Militär zufolge bei ihrem Vorstoß vor allem auf die Städte Bachmut und Awdijiwka. Bachmut steht im Mittelpunkt des nur langsamen russischen Vormarschs in der Region Donezk. Nach den ukrainischen Angaben haben die russischen Truppen in der Region mindestens zehn Städte mit Panzern und Artillerie beschossen. Besonders betroffen waren die Ballungsgebiete Charkiw, Isjum, Tschuhujiw und Kupjansk.

"Retten Sie ihr Leben"

Selenskyj richtete sich in einer Rede auch an die Männer in den von Moskau besetzten und zum eigenen Staatsgebiet erklärten Gebieten. Die dortigen Männer sollten sich auf keinen Fall in die russische Armee einberufen lassen. "Vermeiden Sie das, wenn es irgendwie möglich ist", so Selenskyj. Wer diese Gebiete verlassen könne, solle das tun. Wer eingezogen worden sei, solle die Waffen strecken und versuchen, zu den Ukrainern zu desertieren. "Das Wichtigste: Retten Sie ihr Leben, und helfen Sie unbedingt auch anderen!", sagte er.

Der russische Machthaber Wladimir Putin hat am Mittwoch den Kriegszustand über die ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson ausgerufen.

Russland beansprucht sie völkerrechtswidrig für sich und betrachtet die dort lebenden Ukrainer als russische Staatsbürger.

Damit wächst die Gefahr, dass die Männer zum Dienst in der russischen Armee gezwungen werden und gegen ihre Landsleute kämpfen müssen.

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(APA/Reuters/AFP)

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