Nach der Präsidentenwahl in Weißrussland haben am Sonntagabend trotz Drohungen der Behörden mehrere tausend Menschen gegen den angeblich überwältigenden Sieg von Amtsinhaber Alexander Lukaschenko demonstriert. Der wichtigste Kandidat der Opposition, Alexander Milinkewitsch, sprach von einer Farce und forderte neue, ehrliche Wahlen. Seine Anhänger rief er zu friedlichen Protesten auf, nachdem sich in Wählernachfragen eine Zustimmung von mehr als 80 Prozent für den seit zwölf Jahren autokratisch regierenden Lukaschenko abzeichnete.
Die Behörden hatten nach einem von Verhaftungen und Einschüchterungen geprägten Wahlkampf jegliche Versammlung am Wahltag untersagt und gedroht, Personen, die gegen das Ergebnis protestieren, als Terroristen zu verfolgen. Dennoch gingen am Abend zwischen 5.000 und 10.000 Menschen mit Milinkewitsch auf den Oktiabrskaja-Platz in Minsk auf die Straße. Sie riefen Lang lebe Weißrussland! und skandierten Milinkewitschs Namen. Während der Direkt-Übertragung einer Erklärung der Leiterin der Zentralen Wahlkommission johlte die Menge und rief Lüge, Lüge.
Milinkewitsch forderte eine Annullierung der Wahl. Das Ergebnis werde weder von uns noch von demokratischen Staaten anerkannt, erklärte er und nannte die Ergebnisse der ersten Wählernachfragen lachhaft. Seine Anhänger ermahnte er, ihren Protest friedlich zum Ausdruck zu bringen.
Eine Stunde nach Schließung der Wahllokale um 20.00 Uhr (19.00 Uhr MEZ) ließ Lukaschenko über ein regierungsnahes Umfrageinstitut wie erwartet seinen klaren Sieg vermelden. Demnach kam er auf mehr als 81,1 Prozent der Stimmen. Milinkewitsch kam in der Befragung des bisher unbekannten Komitees der Jugendorganisationen auf 5,6 Prozent der Stimmen, der Oppositionskandidat Alexander Kosulin erhielt 4,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale bei knapp 88 Prozent, und damit weit über den erforderlichen 50 Prozent.
Dank einseitiger Medienberichterstattung und Repressalien gegenüber oppositionellen Wahlkämpfern konnte sich Lukaschenko seiner Wiederwahl im Vorfeld so gut wie sicher sein. Bereits Stunden vor Schließung der Wahllokale veröffentlichte das der Regierung in Minsk nahe stehende Institut ECOOM eine Wählerumfrage, laut der Lukaschenko 84,2 Prozent erzielen werde. Milinkewitsch verurteilte die Veröffentlichung der Umfrageergebnisse noch vor Wahlschluss als Wählerbeeinflussung. Er kritisierte, dass 80 Mitglieder seines Wahlkampfstabes festgenommen worden seien. Seinen Anhängern sei zudem untersagt worden, in den Wahlbüros die Stimmabgabe zu beobachten.
Die Wahlen verliefen gemäß den weißrussischen Gesetzen, beteuerte Lukaschenko bei Abgabe seiner Stimme. Er sei kein Diktator, nur dumme Menschen würden das denken, sagte er einem ausländischen Journalisten. Gegenüber der einheimischen Opposition schlug der im In- und Ausland umstrittene Präsident einen härteren Ton an: Ich garantiere, dass es in unserem Land keinen Putsch geben wird. Es wird keine gewalttätige Übernahme von Institutionen und keine Blockaden von Straßen und Plätzen geben, sagte er am Freitagabend. Geheimdienstchef Stepan Suchorenko bezeichnete die Demonstranten als Terroristen und drohte ihnen lange Haftstrafen oder gar die Hinrichtung an.