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Weibliche Genitalverstümmelung: "Kommt Folter gleich"

Weibliche Genitalverstümmelung: Überlebende kämpfen mit verringerter Lust, Schmerzen, häufigen Harnwegsentzündungen.
Weibliche Genitalverstümmelung: Überlebende kämpfen mit verringerter Lust, Schmerzen, häufigen Harnwegsentzündungen. ©APA/ dpa (Themenbild)
Bregenz – Mehr als 100 Millionen Mädchen und Frauen sind weltweit an ihren Genitalien beschnitten. Anlässlich des heutigen Tages gegen die weibliche Genitalverstümmelung haben wir mit Annibe Riedmann von der Flüchtlingshilfe der Caritas Vorarlberg gesprochen.
Annibe Riedmann im Interview


Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt die Zahl der betroffenen Frauen auf 100 bis 140 Millionen, jedes Jahr sind laufen rund drei Millionen Mädchen Gefahr, Opfer des grausamen Rituals zu werden. In 28 afrikanischen Staaten ist die Praxis noch sehr weit verbreitet. In sieben davon – dem (Nord-) Sudan, Somalia, Sierra Leone, Mali, Guinea, Ägypten und Djibuti – sind bis zu 90 Prozent der Frauen und Mädchen beschnitten.

Verschiedene Arten

Allerdings wird nicht überall die sogenannte „pharaonische Beschneidung“ durchgeführt, die schwerste Form der weiblichen Beschneidung. Bei diesem Typ wird nicht nur die Klitoris entfernt, sondern anschließend auch die Schamlippen zusammengenäht – mit Ausnahme einer kleinen Öffnung. Es ist dann Aufgabe des Ehemanns, seine Angetraute in der Hochzeitsnacht zu „öffnen“. Anzutreffen ist diese Form vor allem in Djibuti, Eritrea, Äthiopien, Somalia, und dem Nordsudan. Anderswo wird „nur“ der äußerlich sichtbare Teil der Klitoris oder die Klitorisvorhaut entfernt, manchmal noch zusätzlich die inneren oder äußeren Schamlippen.

Jahrtausendealte Tradition

Warum die weibliche Beschneidung überhaupt noch durchgeführt wird, wissen die wenigsten. Es handle sich dabei um eine jahrtausendealte Tradition, erklärt Riedmann. So wurden schon an weiblichen Mumien entsprechende Merkmale festgestellt, auch in Papyrusrollen ist davon die Rede. Wichtig ist ihr, dass die Beschneidung „nichts mit dem Islam oder dem Christentum zu tun“ hat, „das sind alles vorchristliche und auch ganz sicher vormuslimische Rituale.“ Begründet werde die Praxis heute vor allem „mit Reinheit, mit Sauberkeit, mit Schönheit, mit gesicherter Jungfräulichkeit“, so Riedmann.

„Kommt Folter gleich“

Oft wird die Beschneidung nicht mit von Ärzten mit entsprechenden hygienischen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt, sondern von ungelernten Frauen im Dorf. Und das „teilweise unter grauenhaften hygienischen Umständen – mit Rasierklingen, mit Scherben, mit Messern, mit Dosenrändern.“ Entzündungen und Infektionen sind oft die Folge, nicht selten sterben die Mädchen nach dem Eingriff. Die Überlebenden kämpfen mit verringerter Lust, Schmerzen, häufigen Harnwegsentzündungen. Mit Beschneidungen bei Männern habe das nicht mehr viel zu tun, so Riedmann: „Hier geht es wirklich um große Eingriffe und Verletzungen, die mehr einer Folter gleichkommen als Beschneidung. Beschneidung ist hier ein verschönerndes Wort.“

Problem auch bei uns

In Österreich ist das Problem nicht sehr verbreitet. Laut einer Studie des Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2006 hatten aber immerhin 57 von mehr als 400 befragten Gynäkologen schon einmal mit Opfern der weibliche Beschneidung zu tun. Von Seiten der Caritas werde jedenfalls versucht, den Betroffenen jede nur erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen, erzählt Riedmann. Problematisch sei allerdings, dass viele Frauen sich gar nicht erst trauen, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Auch im Bereich der Prävention wird einiges getan: „Wenn Eltern Töchter haben, sprechen wir sie direkt darauf an und versuchen, ihr Verständnis zu wecken. Wir sagen ihnen ganz klar, dass es ein strafbarer Akt ist. Sollten wir erfahren, dass eine Beschneidung geplant ist, würden wir sofort alle Register ziehen.“

Annibe Riedmann im Gespräch mit VOL.AT:

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