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Wechselwähler-Rekord?

Bei der Nationalratswahl 2002 hat es einen Rekord an Wechselwählern gegeben. Rund 1,7 Millionen Menschen wählten damals eine andere Partei als 1999. Das Wechselwähler-Potenzial dürfte auch bei der diesjährigen Nationalratswahl hoch sein.

Die Meinungsforscher prognostizieren allerdings geringere Wählerströme als bei der Wahl 2002. Damals wechselten etwa 602.000 Wähler von der FPÖ zur ÖVP. Vergleichbares sei diesmal nicht zu erwarten, so die Experten.

Laut Umfragen liegen SPÖ und ÖVP derzeit in der Sonntagsfrage bei den Ergebnissen von 2002, ebenso Grüne und die FPÖ, sagt Peter Hajek vom Meinungsforschungsinstitut OGM. Dies deute auf weniger Wechselwähler hin. Allerdings könnte es durch das Antreten von Hans-Peter Martin und des BZÖ „neuen Schwung“ geben. Auch die Kommunisten könnten „ein bisschen was“ bewegen, so Hajek. Aufbauend auf dem Wahlergebnis 2002 und den jüngsten OGM-Umfragen geht er von einem Wechselwählerpotenzial von rund acht Prozent aus. Seiner Einschätzung nach könnte es aber auch höher liegen.

Eine ähnliche Prognose gibt Fritz Karmasin vom Gallup-Institut ab: All jene, die BZÖ und Martin wählen, seien automatisch zu den Wechselwählern zu zählen. Er rechnet 25 bis 30 Prozent der Wahlberechtigten zu den „Unentschlossenen“ oder „deklarierten Nichtwählern“. Innerhalb dieser Gruppe ortet Karmasin ein Wechselwählerpotenzial von rund zehn Prozent. Die Entscheidung der Unentschlossenen werde in den kommenden Wochen bis knapp vor dem Wahltermin fallen.

Ein stabileres Wahlverhalten als 2002 erwarten auch David Pfarrhofer (market) und Günther Ogris (SORA). Die Schar der Wechselwähler werde wieder auf den „normalen Stand“ von zwölf bis dreizehn Prozent zurückgehen, wahrscheinlich knapp darüber, so Ogris. Ein ähnlich starker Effekt wie jener durch den Zusammenbruch der FPÖ im Jahr 2002 sei für heuer nicht absehbar. Allerdings könnte das BZÖ aus jenen rund 602.000 Wählern, die bei der letzten Wahl zur ÖVP abgewandert sind, Stimmen abziehen, meint der Experte. Auch die Liste von Hans-Peter Martin könnte den Wechselwähler-Anteil hinauftreiben.

Grundsätzlich sei in den letzten Jahren eine wachsende Tendenz zur Wechselbereitschaft zu beobachten, sagt Peter Ulram vom Meinungsforschungsinstitut Fessel-GFK. Demnach gaben sechs von zehn Wählern in jüngsten Umfragen an, bereits unterschiedliche Parteien gewählt zu haben. Mitte der 90er Jahre lag der Anteil der Wechselwähler noch bei zirka 40 Prozent, in den 60er Jahre waren lediglich fünf bis zehn Prozent flexibel.

Auf die Stammwähler können die Parteien immer weniger zählen: Bei der SPÖ vermutet Karmasin nur mehr rund zwei Drittel an treuen Wählern, ähnlich schätzt er auch die Situation bei der ÖVP ein. Auch David Pfarrhofer (market) sieht eine in den letzten Jahrzehnten gestiegene Bereitschaft zu flexiblerem Wahlverhalten: 1969 gaben in Umfragen noch 75 Prozent an, sich „einer Partei nahe stehend“ zu fühlen, im Jahr 2003 behaupteten dies nur mehr 54 Prozent.

Gründe für die hohe Wählermobilität sieht Karmasin in den „zunehmend ähnlichen Lösungsansätzen“ der Parteien: Die Unterschiede etwa zwischen ÖVP und SPÖ seien nicht mehr so „trennscharf“ wie früher, die Programme der Parteien ähnelten sich immer mehr. Wenn nun neue wahlwerbende Gruppen dazukommen, „werden diese gewählt, weil die Leute sich denken, ’das probieren wir aus’“, so Karmasin. Immer wichtiger in der Wahlentscheidung würden darüber hinaus die Personen, die die Parteien vertreten.

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