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Wechsel spaltet Deutschland

Zwei Monate vor der Heim-WM spaltet eine Torhüter-Entscheidung Fußball-Deutschland. Bundestrainer Klinsmann hatte sich für Lehmann und gegen Kahn als Nummer eins-Torhüter entschieden. Ihre Meinung?

Bundestrainer Jürgen Klinsmann hatte sich am Freitag für Jens Lehmann und gegen Oliver Kahn als Nummer eins-Torhüter bei der Weltmeisterschaft von 9. Juni bis 9. Juli entschieden. Seitdem wird beim WM-Gastgeber heftig diskutiert.

Spieler, Trainer, ehemalige Fußball-Größen, Funktionäre und selbst Politiker äußerten sich zum Sturz von „King Kahn“. Nur eine Meinung wird von allen geteilt: Glücklicherweise ist die Entscheidung frühzeitig gefällt worden und nicht erst im Mai, wie Klinsmann es zunächst geplant hatte. Kahn hat nun genügend Zeit, sich Gedanken über seine Zukunft zu machen und zu überlegen, ob er die Rolle der Nummer zwei übernehmen will und kann.

Für Günther Netzer, Weltmeister 1974 und nun ARD-Experte, ist die Frage nach der Motivation von Kahn am dringendsten. Klinsmann müsse klarstellen, dass sich der Keeper von Bayern München als Reservist kollegial verhalte: „Dieses Versprechen muss der Bundestrainer Kahn abringen.“ Kahn trug die Entmachtung vor dem wichtigsten Turnier seiner Karriere bisher mit Fassung und lässt sich sichtlich Zeit mit einer Reaktion. Nach acht Jahren als deutscher Teamtorhüter scheint allerdings schwer vorstellbar, dass sich der charismatische Blondschopf mit der Rolle des Bankdrückers zufrieden gibt.

Über den sportlichen Wert des Torhüterwechsels scheiden sich die Geister. „Die Welt“ findet, dass Kahn seit seinen phänomenalen Leistungen bei der WM 2002 von Jahr zu Jahr mehr Tore verschuldet habe. Für den ehemaligen deutschen Schlussmann Uli Stein ist Lehmann „ganz klar“ der bessere Torhüter, während Toni Schumacher, Konkurrent von Stein in den 80-er-Jahren, „keine sportlichen Gründe sieht, Kahn rauszunehmen“.

Weitere „Kahn-Sympathisanten“ machen ihre Kritik an Klinsmann fest. Der Rekordinternationale und ehemalige Rapid Wien-Coach Lothar Matthäus, seit Jahren kein Freund von Klinsmann, findet, der Bundestrainer habe „mit Kahn ein ganz übles Machtspiel“ getrieben und glaubt an persönliche Gründe für den Torhüterwechsel. Bayern-Manager Uli Hoeneß kann weder die Entscheidung noch den Zeitpunkt – einen Tag vor dem Bundesliga-Spitzenspiel gegen Werder Bremen – nachvollziehen: „Wir hätten uns auch in aller Ruhe am Sonntagvormittag in München zusammensetzen können, aber möglicherweise wäre da schon wieder ein Flugzeug in Richtung Kalifornien unterwegs gewesen. Wir nehmen die Entscheidung hin, obwohl wir sie für falsch halten. Man kann aber nicht erwarten, dass wir in Halleluja ausbrechen, wenn unser bester Mann demontiert wird.“

Es ist nicht anzunehmen, dass der Druck auf Klinsmann in den nächsten Tagen und Wochen kleiner wird. Die Bayern-Führung wird wohl weitere Giftpfeile Richtung Kalifornien, dem Wohnort von Klinsmann, richten. Letztlich dürfte aber Franz Beckenbauer, Chef des WM-Organisationskomitees, Recht haben, wenn er sagt: „Ob Jürgens Festlegung auf Jens Lehmann richtig oder falsch war, wird man erst nach der WM sehen.“

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