Was bedeuten Anschläge wie in Reutlingen, Ansbach und Würzburg für Flüchtlinge?

Er wollte wissen: Was ist in Ansbach, München, Reutlingen, Würzburg passiert? Wer waren die Täter? Woher kamen sie und was haben sie angerichtet?
“Ich habe viel darüber nachgedacht – es ist schrecklich”, sagt er. Vor genau solchen Taten hätten viele Flüchtlinge in der Vergangenheit Angst gehabt – und davor, was es für sie für Folgen haben könnte.
Vier Gewalttaten in einer Woche
Binnen einer Woche erschütterten vier Gewalttaten Süddeutschland. In Würzburg, München, Reutlingen und Ansbach wurden zahlreiche Menschen verletzt und getötet. Drei der Täter kamen als Flüchtlinge nach Deutschland – und manch ein Asylbewerber fürchtet nun eine Art Generalverdacht.
Flüchtlinge haben Angst vor Generalverdacht
Die Betrachtung der Flüchtlingen als eine große, homogene Gruppe sei aber falsch, sagt die Konstanzer Psychotraumatologin Maggie Schauer. Asylbewerber nehmen sich ihr zufolge vor allem als Individuen wahr und nicht als Teil eines Massenphänomens.
Sie habe erst kürzlich mit einem Iraker über die Ereignisse in Bayern gesprochen. “Als er hörte, dass der Täter in Ansbach Afghane gewesen sein soll, war er erleichtert, dass er keine Kollektivschuld mittragen muss”, sagt die Direktorin des “Kompetenzzentrums Psychotraumatologie” an der Universität Konstanz.
Fürchtet Baschar Kasou, dass Feindseligkeit und Ablehnung gegenüber Asylbewerbern zunehmen? Dass Menschen Flüchtlinge pauschal als bedrohlich wahrnehmen?
Verbrechen haben keine bestimmte Religion oder Nationalität
Der 53-Jährige lässt sich Zeit mit seiner Antwort. Verbrecher gehörten nicht zu einer bestimmten Religion oder Nationalität, sagt er dann. “Verbrecher sind einfach Verbrecher.” Wenn in einer Kiste mit Äpfeln einer faule, nähmen viele Menschen nur diesen wahr – und nicht die vielen guten daneben.
Negative Reaktionen habe er noch nicht bekommen, sagt der Grafikdesigner. “Im Gegenteil.” Er habe aber Freunde, die in den vergangenen Tagen nicht mehr viel aus dem Haus gingen. “Sie haben Angst, dass sie komisch angeschaut werden.”
“Seid noch besser als sonst.”
Anderen Flüchtlingen hat Kasou schon geraten, mehr auf ihren Ruf zu achten. “Das ist sehr wichtig, wir sind jetzt in einem anderen Land, in einer anderen Kultur”, sagt Kasou. “Ich sage ihnen: Seid noch besser als sonst, lächelt, helft den Menschen, geht nicht in Gegenden, die ein schlechtes Licht auf euch werfen könnten.”
Kasou kam vor gut einem Jahr über Istanbul nach Baden-Württemberg. Seine Frau und die drei Töchter sind noch dort, ob und wann er sie nachholen kann, weiß er nicht, erzählt er.
Flüchtlinge ohne Heimat
Die ersten Tage und Wochen in Deutschland habe er mit niemandem sprechen wollen; nicht über den Krieg in seiner Heimatstadt Damaskus, nicht über die Strapazen der Flucht, nicht über die Sorge um seine Familie.
“Ich wollte nicht fühlen.” Er habe eine Weile gebraucht, bis er sich seinen Erfahrungen und Emotionen stellen konnte, sagt er. “Flüchtling zu sein fühlt sich an wie Fliegen, ohne zu wissen, wo man landen kann.”
(APA/dpa/red)