Die Waldbrandkatastrophe in Griechenland hat die Regierung endlich zum Handeln gezwungen. Der Geheimdienst und eine Anti-Terror-Einheit sollen die Polizei bei ihren Ermittlungen unterstützen, wie der für die öffentliche Ordnung zuständige Minister Vyron Polydoras am Montag mitteilte. Unabhängige Experten aber sind skeptisch, ob das ausreicht.
Von Evros im Norden über die Inseln Korfu und Kefalonia im Westen bis zur Halbinsel Peloponnes im Süden – überall stehen Kiefernwälder in Flammen. Die Brände haben Dörfer zu menschenleeren Ödnissen gemacht und mindestens 63 Menschen das Leben gekostet. So zahlreich wie die brennenden Wälder, so vielfältig sind wohl auch die Ursachen, bei denen Fahrlässigkeit, Grundstücksspekulation und Gleichgültigkeit gegenüber der Natur zusammenkommen.
Es gebe etliche Hinweise auf Brandstiftung wie Zeugenaussagen und Beweismittel, die weitere Untersuchungen erforderten, erklärte Polydoras. Ein leitender Staatsanwalt ordnete inzwischen eine Untersuchung an, ob das vorsätzliche Entfachen eines Waldbrands als terroristischer Akt oder organisiertes Verbrechen eingestuft werden kann. Dies würde den Behörden mehr Befugnisse für Ermittlungen und Festnahmen geben. Auch Ministerpräsident Kostas Karamanlis, der für den 16. September eine vorgezogene Neuwahl des Parlaments angesetzt hat, deutete an, dass viele Brände absichtlich gelegt wurden.
Für die Bewohner der betroffenen Regionen steht das schon lange fest. Diese Feuer werden bewusst verursacht, das geschieht die ganze Zeit, sagte die 45-jährige Adrianna Katsiki. Ihr ebenfalls von einem Waldbrand heimgesuchtes Dorf Varvassaina liegt in einem Teil der Halbinsel Peloponnes, in dem 42 Menschen ums Leben kamen.
Seit Freitag haben die Behörden elf Personen wegen des Verdachts der Brandstiftung verhaftet. Unter ihnen ist ein älterer Mann, dem vorgeworfen wird, ein Feuer gelegt zu haben, in dem sechs Menschen umkamen. Ein anderer Mann soll seine brennende Zigarette achtlos weggeworfen haben. Und eine Großmutter muss sich gegen den Vorwurf verantworten, beim Kochen im Hof einen ausgedehnten Waldbrand verursacht zu haben. Für Hinweise auf Brandstifter hat die Regierung Belohnungen bis zu einer Million Euro ausgesetzt.
Die häufigsten Motive für Brandstiftung seien Bodenspekulation und Streit zwischen Nachbarn, sagt Theodota Nantsou vom griechischen Zweig der Umweltorganisation WWF. Pyromanen sind nach ihrer Schätzung nur für etwa fünf Prozent aller Fälle verantwortlich. Die Erschließung von neuem Bauland durch Brandstiftung sei vor allem dort zu beobachten, wo die Immobilienpreise hoch seien – etwa in den Küstenregionen oder in der Umgebung von Athen. Jeder kann dann bauen und die Beamten der Forstbehörde oder des Planungsamts bestechen, sagt Nantsou. Schließlich holt man sich einen Notar, der die Sache dann juristisch absichert. Wenn erst einmal ein Haus auf dem Grundstück gebaut sei, werde es kaum wieder abgerissen.
Die Vereinigung von Immobilienmaklern in Athen teilt diese Analyse und empfiehlt deshalb die Einrichtung eines nationalen Waldregisters. Es ist jetzt ziemlich spät, aber der Staat sollte die betroffenen Gebiete sofort wieder aufforsten, in eine Karte eintragen und ohne weiteren Aufschub ein Waldregister erstellen, sagt Verbandspräsident Yiannis Revythis. Wenn ein Stück Land erst einmal offiziell als Waldgebiet ausgewiesen sei, werde es auch nicht in Brand gesetzt. Schließlich wäre es auch nach einem Brand weiter als Waldgebiet registriert.
Auf der Halbinsel Peloponnes aber ist die Bodenspekulation als Motiv für Brandstiftung eher unwahrscheinlich. Die betroffenen Gebiete sind keine vorrangigen Regionen für die Landentwicklung, sagt der Forstexperte Nikos Bokaris. Das sind Bergregionen, in denen die Bodenpreise nicht besonders hoch sind.
Was auch immer im Einzelfall die Ursachen und Motive sind – für die kommenden Generationen sind die verbrannten Wälder ein bedrückendes Erbe. Neben den ökologischen Konsequenzen haben diese Brände auch eine irreparable soziale und wirtschaftliche Katastrophe verursacht, sagt Bokaris. Der Direktor von Greenpeace Griechenland, Nikos Haralambidis, fordert Maßnahmen zur Erneuerung der ländlichen Wirtschaft. Sonst werden tausende Menschen als Umweltflüchtlinge in die Städte ziehen, warnt Haralambidis. Etwa 110 Dörfer sind völlig zerstört, zusammen mit der Ernte, Olivenplantagen und Vieh.
Die eine Katastrophe könnte zudem schon den Keim für die nächste in sich tragen. Die verbrannten Gebiete sind der Erosion durch Regen und Wind schutzlos ausgesetzt. Die Folge könnten einmal gewaltige Erdrutsche sein.