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Wahlkampf in den USA

Die französische Wirtschaftszeitung „La Tribune“ (Paris) meint am Montag, die konjunkturelle Entwicklung werde im amerikanischen Wahlkampf doch noch eine Rolle spielen.

„Die Ausgabenpolitik des US-Präsidenten ist doch nicht die Zauberformel der Zauberformeln. Obwohl die amerikanische Wirtschaft von George W. Bush am Infusionstropf gehalten wird, hat das nicht dazu geführt, den Arbeitsmarkt wirklich wieder aufzuhellen. Und dabei ist die Beschäftigungspolitik doch der unabdingbare Sockel für das Vertrauen der Wählerschaft. Sollte sich also der Dopingeffekt der ausgegebenen Milliarden in der zweiten Jahreshälfte abzuschwächen beginnen, was eine plausible Hypothese ist, dann könnte der Wahltag Anfang November für den Präsidenten noch zu einem Albtraum werden.“

Auch die Zeitung „La Depeche du Midi“ aus dem südfranzösischen Toulouse befasst sich mit dem Wahlkampf in den USA:

„Mehreren Umfragen zufolge würde Bush geschlagen, wenn die Wahlen heute stattfinden würden – und dies trotz des Wachstums der amerikanischen Wirtschaft, der stärksten seit 20 Jahren. Bush Senior hatte den Golfkrieg gewonnen und die wirtschaftliche Schlacht verloren; Bush Junior hat die letztere gewonnen, aber immer noch keinen Frieden im Irak erreicht. Wenn der Sohn beim Rennen um ein neues Mandat genauso versagen würde wie der Vater, wäre dies keine schlechte Nachricht für all jene die glauben, dass man den Weltfrieden nicht mit den rauhen Sitten des Wilden Westens sichern kann, an denen dem Texaner in Washington so viel gelegen ist.“

Zum Auftakt des Vorwahlkampfes der Demokraten in den USA (Bundesstaat Iowa) schreibt die Moskauer Tageszeitung „Kommersant“ am Montag:

„Die Präsidentenwahl ist erst im November, das Volk will aber bereits jetzt unterhalten werden. Also muss die Medienmaschinerie den Amerikanern bereits jetzt etwas Interessantes bieten, und wenn es keinen echten Gegenkandidaten zu (George W.) Bush gibt, muss man einen erfinden. Für diese Rolle passt Howard Dean hervorragend, er ist (für amerikanische Maßstäbe) ein radikaler Linker und kritisiert eifrig die Politik der USA im Irak. Allerdings lassen sich aufmerksame Experten nicht durch die gegenwärtigen Ratings täuschen und sagen schon heute, dass Dean nicht der Kandidat der Demokraten sein wird. Aber das ist noch so lange hin! Dann kann man immer noch einen neuen spannenden Kandidaten erfinden.“

Die konservative norwegische Tageszeitung „Aftenposten“ (Oslo) meint am Montag zum Auftakt der Vorwahlen zur Nominierung des US-Präsidentschaftskandidaten bei den Demokraten im Bundesstaat Iowa:

„Keiner der demokratischen Präsidentschaftskandidaten in den USA verfügt über eine tragfähige politische Botschaft, die die Amerikaner mit einer skeptischen Haltung gegenüber George W. Bush und der Politik der Republikaner einen könnte. Bisher dominierte der Widerstand gegen den Krieg im Irak und die aggressive außenpolitische Linie von Bush. Aber mit den Terrorangriffen in New York und Washington noch frisch in Erinnerung ist es nicht leicht, Bush anzugreifen und sich nicht gleichzeitig dem Verdacht des Unpatriotischen auszusetzen. Das wissen Bush und sein Lager. Sie lassen es auch alle anderen auf jede nur erdenkliche Weise wissen.

So beginnt der demokratische Wahlkampf mit einem sichtlichen Handicap. Die Partei ist in Gefahr, ihre Kräfte in einem internen Konflikt zu verschleißen, während sich Bush in staatsmännischer Manier über den politischen Lärm erheben kann. Dieser Vorsprung gegenüber einem demokratischen Präsidentschaftskandidaten wird, von wem auch immer, nur schwer aufzuholen sein, wenn im Herbst der ganz große Zweikampf beginnt.“

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