AA

Wahlen im türkischen Teil Zyperns

Wenn die 140.000 Wähler im türkischen Nordteil Zyperns kommenden Sonntag ein neues Parlament wählen, entscheiden sie über weit mehr als nur über eine neue Volksvertretung. Auch Wohl und Wehe der türkischen EU-Bewerbung stehen auf dem Spiel. Siegt die pro-europäische Opposition, dann könnte es einen völligen Neubeginn bei den Bemühungen um eine Wiedervereinigung der Insel geben, und die Türkei würde voraussichtlich mit dem baldigen Beginn von EU-Aufnahmeverhandlungen belohnt.

Wenn die Anhänger von Volksgruppenführer Rauf Denktas die Wahl gewinnen, wäre das zwar ein Sieg für die Hardliner in Ankara, aber eine bittere Pille für die türkische Regierung – und ein Problem für die EU.

353 Kandidaten von sieben Parteien bewerben sich um die 50 Mandate. Denktas selbst steht als „Präsident” der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern” (KKTC) zwar nicht zur Wahl. Doch die Opposition unter Mehmet Ali Talat hat für den Fall ihres Wahlsieges angekündigt, den 79-jährigen als Verhandlungsführer mit der griechisch-zypriotischen Seite abzulösen. Anders als Denktas sieht Talat den jüngsten UNO-Friedensplan als Basis für eine friedliche Wiedervereinigung der seit 1974 geteilten Insel – und als Chance, die türkischen Zyprioten beim Vollzug der EU-Erweiterung im Mai kommenden Jahres zu EU-Bürgern zu machen. Der von Denktas verworfene UNO-Plan sieht einen Bundesstaat mit ungeteilter Souveränität aus zwei gleichberechtigten Gebietseinheiten vor.

Talats Argument zieht vor allem bei den jüngeren Wählern im türkischen Teil von Zypern. Viele ältere Menschen dagegen erinnern sich noch an die blutigen Kämpfe mit der griechischen Mehrheit auf der Insel in den Jahren vor 1974 und setzen auf Denktas. Dieser beharrt auf einer internationalen Anerkennung der KKTC als Vorbedingung für eine Lösung und warnt vor einem Ausverkauf türkischer Interessen.

Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage können die europafreundlichen Denktas-Gegner mit einem Sieg rechnen. Einige Beobachter wie der türkische Ex-Außenminister Ismail Cem rechnen mit einem Volksaufstand wie in Georgien, falls die Denktas-Anhänger – womöglich mit Hilfe von Wahlfälschung – siegen sollten.

Bei einem knappen Wahlausgang spielt Denktas eine Schlüsselrolle, weil er als KKTC-Präsident den Auftrag zur Regierungsneubildung vergibt. Diesen Auftrag werde er niemandem erteilen, der die KKTC zerstören wolle, sagte der Volksgruppenführer jetzt. Das bedeutet, dass Denktas die derzeitige Opposition nur dann ans Ruder lassen will, wenn sie am Sonntag so überzeugend gewinnt, dass keine andere Regierung möglich ist.

Der türkischen Regierung in Ankara wäre ein Kurswechsel in Lefkosa, dem türkischen Hauptstadtsektor, sehr recht. Sie weiß, dass sie nur mit einer Lösung für Zypern damit rechnen kann, von der EU einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu erhalten. Dennoch kann Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nicht offen eine Ablösung von Denktas fordern. Er muss die Hardliner in Ankara im Auge behalten. Erst vor kurzem erklärte Generalstabschef Hilmi Özkök, Zypern sei für die Türkei strategisch von höchster Bedeutung. Anders ausgedrückt: Die Armee denkt nicht daran, ihre noch etwa 30.000 auf der Insel stationierten Soldaten abzuziehen. Erdogan muss zudem die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die pro-europäischen Kräfte am Sonntag scheitern, dass er also weiter mit Denktas zusammenarbeiten muss.

Diese Zusammenarbeit wird künftig aber anders aussehen als bisher. Denn fest steht schon jetzt, dass sich in der KKTC einiges ändern wird, auch wenn Denktas von den Wählern nicht entmachtet wird. Das türkische Eigeninteresse an einer Friedenslösung und der Druck der EU auf Ankara in der Zypern-Frage sorgen für neue Dynamik. „Nach der Wahl beginnt auf Zypern eine neue Ära”, kündigte der türkische Außenminister Abdullah Gül bereits an. Zeitungsberichten zufolge feilen Güls Experten an einem neuen Friedensplan für Zypern, der sofort nach der Wahl veröffentlicht werden soll.

APA) – Es ist eine Wahl in einem Zwergstaat, der für die internationale Gemeinschaft überhaupt nicht existiert – und doch ist der Urnengang wichtig für die ganze Europäische Union. Wenn die 140.000 Wähler im türkischen Nordteil Zyperns kommenden Sonntag ein neues Parlament wählen, entscheiden sie über weit mehr als nur über eine neue Volksvertretung. Auch Wohl und Wehe der türkischen EU-Bewerbung stehen auf dem Spiel. Siegt die pro-europäische Opposition, dann könnte es einen völligen Neubeginn bei den Bemühungen um eine Wiedervereinigung der Insel geben, und die Türkei würde voraussichtlich mit dem baldigen Beginn von EU-Aufnahmeverhandlungen belohnt.

Wenn die Anhänger von Volksgruppenführer Rauf Denktas die Wahl gewinnen, wäre das zwar ein Sieg für die Hardliner in Ankara, aber eine bittere Pille für die türkische Regierung – und ein Problem für die EU.

353 Kandidaten von sieben Parteien bewerben sich um die 50 Mandate. Denktas selbst steht als „Präsident” der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern” (KKTC) zwar nicht zur Wahl. Doch die Opposition unter Mehmet Ali Talat hat für den Fall ihres Wahlsieges angekündigt, den 79-jährigen als Verhandlungsführer mit der griechisch-zypriotischen Seite abzulösen. Anders als Denktas sieht Talat den jüngsten UNO-Friedensplan als Basis für eine friedliche Wiedervereinigung der seit 1974 geteilten Insel – und als Chance, die türkischen Zyprioten beim Vollzug der EU-Erweiterung im Mai kommenden Jahres zu EU-Bürgern zu machen. Der von Denktas verworfene UNO-Plan sieht einen Bundesstaat mit ungeteilter Souveränität aus zwei gleichberechtigten Gebietseinheiten vor.

Talats Argument zieht vor allem bei den jüngeren Wählern im türkischen Teil von Zypern. Viele ältere Menschen dagegen erinnern sich noch an die blutigen Kämpfe mit der griechischen Mehrheit auf der Insel in den Jahren vor 1974 und setzen auf Denktas. Dieser beharrt auf einer internationalen Anerkennung der KKTC als Vorbedingung für eine Lösung und warnt vor einem Ausverkauf türkischer Interessen.

Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage können die europafreundlichen Denktas-Gegner mit einem Sieg rechnen. Einige Beobachter wie der türkische Ex-Außenminister Ismail Cem rechnen mit einem Volksaufstand wie in Georgien, falls die Denktas-Anhänger – womöglich mit Hilfe von Wahlfälschung – siegen sollten.

Bei einem knappen Wahlausgang spielt Denktas eine Schlüsselrolle, weil er als KKTC-Präsident den Auftrag zur Regierungsneubildung vergibt. Diesen Auftrag werde er niemandem erteilen, der die KKTC zerstören wolle, sagte der Volksgruppenführer jetzt. Das bedeutet, dass Denktas die derzeitige Opposition nur dann ans Ruder lassen will, wenn sie am Sonntag so überzeugend gewinnt, dass keine andere Regierung möglich ist.

Der türkischen Regierung in Ankara wäre ein Kurswechsel in Lefkosa, dem türkischen Hauptstadtsektor, sehr recht. Sie weiß, dass sie nur mit einer Lösung für Zypern damit rechnen kann, von der EU einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu erhalten. Dennoch kann Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nicht offen eine Ablösung von Denktas fordern. Er muss die Hardliner in Ankara im Auge behalten. Erst vor kurzem erklärte Generalstabschef Hilmi Özkök, Zypern sei für die Türkei strategisch von höchster Bedeutung. Anders ausgedrückt: Die Armee denkt nicht daran, ihre noch etwa 30.000 auf der Insel stationierten Soldaten abzuziehen. Erdogan muss zudem die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die pro-europäischen Kräfte am Sonntag scheitern, dass er also weiter mit Denktas zusammenarbeiten muss.

Diese Zusammenarbeit wird künftig aber anders aussehen als bisher. Denn fest steht schon jetzt, dass sich in der KKTC einiges ändern wird, auch wenn Denktas von den Wählern nicht entmachtet wird. Das türkische Eigeninteresse an einer Friedenslösung und der Druck der EU auf Ankara in der Zypern-Frage sorgen für neue Dynamik. „Nach der Wahl beginnt auf Zypern eine neue Ära”, kündigte der türkische Außenminister Abdullah Gül bereits an. Zeitungsberichten zufolge feilen Güls Experten an einem neuen Friedensplan für Zypern, der sofort nach der Wahl veröffentlicht werden soll.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Wahlen im türkischen Teil Zyperns
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.