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Wache mit Schlafmittel betäubt - Haft

Häftling und Ehefrau vor Gericht, weil sie eine Wache mit Schlafmittel betäubt hatten - Zehn Monate Zusatzstrafe bzw. acht Monate bedingt - Urteile sind rechtskräftig.

Es war eine der spektakulärsten Fluchtaktionen eines Strafgefangenen im vergangenen Jahr: Aus Liebe zu ihrem wegen schweren bewaffneten Raubüberfalls in Stein in Haft sitzenden, aber todkranken Ehemanns verabreichte eine 53-jährige Wienerin einem Justizwachebeamten ein Schlafmittel. Dem Bewacher wurde schlecht, der 55-jährige Häftling und seine Frau flüchteten nach Spanien. Am Montag mussten sich beide vor Gericht verantworten. Sie wurden von Richterin Claudia Ortner-Bandion im Sinne der Anklage schuldig gesprochen.

Der gebürtige Deutsche, der 1995 zu 14 Jahren Haft verurteilt worden war, musste sich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung verantworten. Seiner Frau wurde von der Staatsanwaltschaft zusätzlich das selten zu Anwendung gelangende Delikt Befreiung eines Gefangenen zur Last gelegt. Der 55-Jährige wurde zu einer Zusatzstrafe von zehn Monaten verurteilt, seine Frau erhielt eine bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten. Beide Urteile sind rechtskräftig.

“Letzte gemeinsame Zeit gemeinsam verbringen”

Der Mann leidet seit einiger Zeit an Prostatakrebs und seine Frau stellte mehrere Anträge auf eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis. „Ich habe alles Mögliche versucht, um meinen schwer kranken Mann frei zu bekommen“, sagte die Angeklagte. Aber nichts sei bewilligt worden, keine frühzeitige Entlassung und auch keine Verlegung von Stein nach Wien. „Da wollte ich die letzte Zeit, die uns noch bleibt, gemeinsam verbringen. Weil ich ihn liebe.“

Mit Genehmigung der Anstaltsleitung durfte sie ihn zumindest ins Krankenhaus Lainz begleiten, wohin der als ungefährlich eingestufte Häftling regelmäßig geführt wurde – so auch am Fluchttag am 15. Juni 2005. Der Gefangene bekam dort einer Strahlenbehandlung. Laut Anklagen haben die beiden die Flucht von langer Hand geplant haben. Die angeklagte Ehefrau sprach vor Gericht aber von einer spontanen Aktion. Sie habe ihren Mann zugeflüstert, dass sie dem Justizwachebeamten Schlaftabletten in den Kaffee geben würde, ihr Mann hätte sie – er ist auf Grund seiner Krankheit schwerhörig – nicht verstanden.

Wache außer Gefecht – “Verschwind jetzt”

Im krankenhauseigenen Kaffeehaus habe man sich zu Dritt eingefunden, um die langen Wartezeit vor der Behandlung zu überbrücken. „Mein Mann musste aufs Klo und wurde von dem Beamten begleitet. Da habe ich vier Schlaftabletten in meinem Kaffee aufgelöst und die Tassen vertauscht. Er hat ihn ganz ausgetrunken.“ Danach ginge es dem Beamten sichtlich schlecht, klagte über Kreislaufprobleme. Während sich die Ärzte um den zusammengebrochenen Mann kümmerten, ging die 53-Jährige zu ihrem Mann, der keine Handschellen mehr trug, und sagte „Verschwind jetzt“.

Der Mann flüchtete zunächst allein mit dem Taxi. In der Wohnung wurden eiligst ein paar Sachen zusammengepackt und die beiden traten ihre Reise zunächst in Richtung Italien und dann nach Spanien an. Knapp zwei Monate später wurden die zwei nach intensiven Ermittlungen im Rahmen einer Zielfahndung in Alicante an der Costa Brava aufgespürt. Die Handschellen klickten ausgerechnet am 55. Geburtstag des Mannes.

Unklare Aussage des Justizwachebeamten

Unklarheit herrschte über die Aussagen des Justizwachebeamten als Zeugen: Während die beiden Angeklagten deutlich von einem Besuch im Kaffeehaus, wo der Gefangene ohne Handschellen saß, sprachen, will der Bewacher nur von einem Kaffee aus dem Automaten wissen. Auf mehrmaliges Aufforderung der Richterin, dass eine Falschaussage strafbar sein könne, blieb der Zeuge dennoch bei seiner Aussage. Die Staatsanwältin beauftragte daraufhin die Weitergabe des Protokolls der Hauptverhandlung an die Staatsanwaltschaft Wien zur strafrechtlichen Verfolgung des Beamten.

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