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Vulkanasche: "Luftfahrt schlecht vorbereitet"

Hätte man von Anfang an verlässliche Grenzwerte für die Auswirkungen von Vulkanasche auf Flugzeugtriebwerke gehabt, hätte man sich einen guten Teil der Luftraum-Sperren ersparen können. Diese Ansicht vertritt der aus Österreich stammende Meteorologe Andreas Stohl vom Norwegischen Institute for Air Research (NILU) in Kjeller bei Oslo.
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An dem von der Luftfahrt-Industrie kritisierten Modell des Volcanic Ash Advisory Centre (VAAC) über die Ausbreitung der Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjalla “ist es nicht gelegen, dass dieses Chaos eingetreten ist”, sagte Stohl am Rande der derzeit laufenden Tagung der “European Geosciences Union” (EGU) in Wien im Gespräch mit der APA.

Für Stohl, der seit 2004 am NILU tätig ist und sich seit langem mit dem Transport von Luftschadstoffen oder Vulkanasche in der Atmosphäre beschäftigt, haben keine außergewöhnlichen Umstände zu dem Chaos über dem europäischen Luftraum geführt. Gerade in den vergangen 20 bis 30 Jahren, in denen der Luftverkehr so stark zugenommen habe, sei es ungewöhnlich ruhig in Island gewesen, da habe man Glück gehabt. “Es war aber nur eine Frage der Zeit, dass das passieren würde”, so der Wissenschafter.

Das Modell des VAAC bezeichnete Stohl als “ziemlich gut”, die Ergebnisse würden den Berechnungen des Norwegischen Instituts durchaus ähneln. Den Einwand der Luftfahrt-Industrie, dass Entscheidungen basierend auf der realen Situation getroffen werden müssten und nicht anhand theoretischer Modelle, bezeichnet Stohl als “völligen Unsinn”. Zahllose Messungen in ganz Europa hätten gezeigt, dass die Aschewolke dagewesen sei und auch quantitativ habe das Modell “gar nicht schlecht gestimmt”.

Dennoch sieht Stohl auch Probleme. Es gebe einerseits wenige quantitative Messungen über die Konzentration der Asche in den Luftschichten, die verschiedenen Methoden hätten durchaus auch Schwächen. Andererseits wisse man nicht genau, was ein Vulkan tatsächlich ausspucke, wie viel davon in die Atmosphäre geht, wie groß die Partikel sind, etc. Auch wenn man versuche, diesen Ausgangswert möglichst genau abzuschätzen, sei das eine Unbekannte für Modellberechnungen. “Doch selbst wenn wir das perfekte Modell gehabt hätten, wäre das Chaos genauso eingetreten”, ist Stohl überzeugt.

Denn das Problem sei, “dass die Luftfahrtindustrie selbst nicht weiß, was gefährlich ist und was nicht”, so der Experte. Als Regel habe bisher immer gegolten: Wann immer ein Vulkanasche-Partikel in der Luft ist, müssten Flugzeuge am Boden bleiben. Insofern haben für Stohl die Behörden richtig gehandelt. Dennoch hält der Wissenschafter eine solche Vorgabe für völlig unrealistisch, weil es solche Partikel immer in der Atmosphäre gebe. Letztendlich hänge alles davon ab, wie viel Vulkanasche die Flugzeuge tatsächlich vertragen würden.

“Wäre die Luftfahrt-Industrie besser vorbereitet gewesen, hätte man sich viel von dem Theater ersparen können”, so Stohl. Notwendig wären Triebwerkstests, wobei man sich aber nicht nur auf die Frage der Asche-Konzentration beschränken dürfe, man müsse auch die Expositionszeit, also wie lange ein Flugzeug der Belastung ausgesetzt ist, berücksichtigen.

Stohl weist auch darauf hin, dass sich während der großräumigen Luftraumsperre die vorgegebenen Grenzwerte um den Faktor zehn geändert hätten, auf nunmehr maximal 2.000 Mikrogramm Staub pro Kubikmeter Luft. Laut Stohl kann man davon ausgehen, dass derart hohe Werte nur über einen kleinen Teil Europas erreicht wurden und damit nur dort Sperren laut den neuen Richtlinien notwendig gewesen wären.

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