Es stelle sich die Frage wie volksnah die Regierungen den Reformvertrag vertreten, sagte er. Sie hätten laut Vranitzky die Skepsis zu lange treiben lassen und den Bürger nicht vom Einigungswerk überzeugen können. Die Politiker sollten sich aktiv der Bevölkerung stellen, so als würde eine Abstimmung stattfinden, wie im Wahlkampf, so Vranitzky.
Keine Regierung habe es nötig, sich hinter den Brüsseler Bürokraten zu verstecken, sagte er und empfahl, in Brüssel nicht andere Entscheidungen zu treffen als zu Hause. Gegen eine Volksabstimmung verwehrte sich Vranitzky: man würde Antworten auf Fragen bekommen, die sich gar nicht stellen. Er spielte dabei auf die FPÖ an, die für eine Volksabstimmung und gleichzeitig gegen einen EU-Beitritt der Türkei eintritt.
Auch Außenstaatssekretär Hans Winkler zweifelt, dass die österreichische Regierung punkto Reformvertrag eine echte umfassende Informationskampagne betrieben hat. Der Vertrag sei inhaltlich weitgehend ident mit der EU-Verfassung. Winkler glaubt, dass der Vertrag die Antwort auf die Sorgen der Menschen sei, bezeichnete aber das jetzige Werk als unlesbar. Auch er wünsche sich eine breitere Diskussion über den Reformvertrag, an der sich auch die Bundesländer, Sozialpartner oder Universitäten beteiligen sollten. Leider, bedauerte er, könne man mit plakativen Meinungen zur EU leicht Beifall ernten, mit differenzierten Bemerkungen aber weniger.
Der Herausgeber der Wochenmagazine Trend und Profil, Christian Rainer, nach eigenen Aussagen ein glühender EU-Befürworter ist für eine Volksabstimmung über den Reformvertrag. Drei von vier Europäern wollen eine Abstimmung, sagte er und bezog sich auf eine Umfrage der Financial Times. Die Politiker würden nur das große Ziel sehen, sagte er: Sie haben zwar gute Ideale, aber schlechte Argumente. Der Wille der Bürger, kritisierte Rainer, werde ignoriert, weil sich die EU keine Ablehnung mehr leisten könne.
Er ließ auch das Argument, dass FPÖ, BZÖ und Kronen Zeitung das Thema an sich reißen würden und dass der Vertrag für Laien zu kompliziert sei, nicht gelten. Die Leute haben genug davon, ohne Diskussion abgespeist zu werden, so Rainer. Es gelte abzuwägen was wichtiger sei, der Schaden für die Demokratie oder der Nachteil für Europa.