Vorwahl in Iowa
Das dickste Ei wird allerdings nur alle vier Jahre einmal gelegt. Wenn Iowa traditionell als erster Bundesstaat die Kandidatenkür für die Präsidentenwahl zelebriert, wird der Bauernstaat für eine Nacht zum Nabel der US-Welt. An diesem Montag ist es wieder so weit, und der Wettbewerb der Demokraten ist so heiß umkämpft wie seit mehr als 15 Jahren nicht mehr.
Selten sind die 530.000 registrierten Demokraten in Iowa derart umworben worden. Und sie sind sich ihrer tragenden Rolle als erster Puls, an dem die Popularität der Kandidaten gemessen wird, bewusst. Wir nehmen diese Aufgabe sehr ernst”, sagt Bill Nichols im Örtchen Maquoketa, 3.000 Einwohner. Wir sind pragmatisch und bemühen uns, den besten Kandidaten für die Nation zu finden.” Er ist wie etwa 100 andere an diesem Wochenende zu einem Wählertreffen mit John Edwards (50) in die örtliche Bücherei gekommen. Gebt mir eine Chance gegen George W. Bush, dann gebe ich euch das Weiße Haus!” ruft der Senator aus North Carolina, ein jungenhafter Strahlemann, der vor allem die Frauenherzen höher schlagen lässt, schon am Mittag etwas heiser.
Die Iowaner gelten als stolz und starrköpfig. Uns kann keiner was vormachen,” sagt Busfahrer George Slagle. Er ist Republikaner und deshalb an diesem Montag nicht gefragt. Wählen können nur die eingetragenen Demokraten. Wer in diesen Tagen in Iowa unterwegs ist, meint, es wimmelt nur von Demokraten hier.
Kerry, Kerry, Kerry!” brüllt die Menge im Einkaufszentrum Old Capital Mall” in Iowa City. Ladies and Gentlemen, heißen sie den nächsten Präsidenten der USA willkommen!” ruft die Einpeitscherin und John Kerry (60) springt mit einem dynamischen Satz auf die Bühne, an seiner Seite seine Frau, die millionenschwere Ketchup-Erbin Teresa Heinz Kerry. Ich bin hier, um den Anfang vom Ende der Bush- Präsidentschaft zu markieren”, ruft Kerry. Der etwas steife Senator ist in den vergangenen Wochen zusehends aufgetaut. Wie Edwards zieht er in den Umfragen unaufhörlich an.
Fast alle Kandidaten haben einen riesigen Helferstab aufgebaut. In T-Shirts mit dem Logo ihres Helden sorgen sie dafür, dass ihr” Kandidat bei jedem Auftritt von einem Pulk begeisterter Fans mit Plakaten und lautem Stimmorgan umgeben ist.
Howard Dean (55) hat 3.500 Freiwillige aus dem ganzen Land für Iowa mobilisiert. Der Arzt und Ex-Gouverneur von Vermont hat seit dem Sommer aus dem Nichts mit einer cleveren Internet-Kampagne eine Riesenfangemeinde aufgebaut. Als Arzt kann er zuhören und weiß, wo es uns weh tut”, sagt Rosemary Aldunade in der Kleinstadt Dubuque. Sie ist aus Illinois hier, um für Dean die Werbetrommel zu rühren. Der Stern des Arztes sinkt nach Umfragen seit Tagen. Das wollen seine Fans allerdings nicht wahr haben.
Der routinierte aber etwas hölzerne Kongressabgeordnete Richard Gephardt (62) setzt vor allem auf Gewerkschafter. Mit seinen Tiraden gegen den freien Handel, der amerikanische Arbeitsplätze koste, kommt er bei ihnen an. Ich glaube langsam, dass er wie ein Mann von gestern rüberkommt”, sinniert dagegen Jeanne Hecker (78).
Als das Rennen um den Sieg vergangene Woche immer enger wurde, haben die Kandidaten sich zunächst gegenseitig mit aggressiven Fernsehspots attackiert. Inzwischen sind sie alle vor allem gegen Bush. Ich bin so ziemlich gegen alles, was Bush sagt”, sagt Dean unter Jubel. Wenn es einer verdient hat, arbeitslos zu werden, dann ist es Bush!” ruft Kerry und erntet wie erwartet Beifall.
Der Aufwand, den die Kandidaten teilweise seit Monaten in Iowa betreiben, erweckt den Eindruck, es gehe hier ums Ganze. Dabei ist der Bauernstaat mit 2,9 Millionen Einwohner nur der Auftakt. In allen 50 Bundesstaaten wird gewählt. Wer in Iowa gewinnt, hat das Ticket zum Showdown mit Bush noch längst nicht in der Tasche. Das weiß besonders Gephardt, der hier 1988 schon mal gewann, und kurz darauf wegen Geldmangels aufgeben musste.