Gegen den ehemaligen großen Taktiker und schlechten Strategen wurden drei Anklagen wegen Kriegsverbrechen im Kosovo (1999), in Bosnien-Herzegowina und Kroatien (beide 2001) erhoben. In der Bosnien-Anklage wird Milosevic, der alleine oder mit seinen einstigen Mitarbeitern gemeinsame verbrecherische Vorhaben … geplant, angespornt, befohlen oder auf andere Art und Weise unterstützt haben soll, auch Völkermord angelastet.
Milosevic hat etwa 280 Verhandlungstage hinter sich, rund 300 Belastungszeugen sagten aus. Der Ex-Staatschef, der inzwischen mit Beweisunterlagen förmlich überschüttet wurde, ließ den Prozess bisher keineswegs passiv über sich ergehen. Die Vorwürfe gegen ihn werden in 66 Anklagepunkten festgehalten, in denen über massive Vertreibungen von Nichtserben von Gebieten Ex-Jugoslawiens, Ermordungen, Raubzüge, inhumane Behandlung von Gefangenen und weiteres mehr berichtet wird.
In den Anklagen werden auch die zwei schrecklichsten Massaker der Balkan-Kriege der neunziger Jahre erfasst: Die Erschießung von rund 200 kroatischen Gefangenen auf dem Landgut Ovcara in der Nähe der ostkroatischen Stadt Vukovar (November 1991) sowie das Massaker an mehreren tausend bosniakischen Einwohnern in Srebrenica im Osten Bosniens im Juli 1995.
Als Mitbeteiligte an gemeinsamen verbrecherischen Vorhaben im Kosovo werden neben Milosevic auch einige seiner einst engsten Mitarbeiter genannt: Der Ex-Präsident Serbiens, Milan Milutinovic, der ehemalige jugoslawische Vizeministerpräsident Nikola Sainovic, der Ex-Generalstabchef Dragoljub Ojdanic sowie der serbische Ex-Innenminister Vlajko Stojilkovic.
Mit Ausnahme von Stojiljkovic, der im April 2002 Selbstmord beging, um seine Auslieferung an das Haager Tribunal zu vermeiden, befinden sie sich alle anderen seit fast zwei Jahren im Gefängnis des Haager Tribunals. Ihre gemeinsame Aktion hätte die Vertreibung eines beträchtlichen Teils der albanischen Bevölkerung des Kosovo zum Ziel gehabt, um dauernde serbische Kontrolle über die Provinz zu sichern, heißt es in der Kosovo-Anklage.
Das verbrecherische Vorhaben in Kroatien zielte laut Anklage auf die Entfernung der nichtserbischen Bevölkerung von rund einem Drittel des Gebietes der Republik Kroatien ab, das Teil eines neuen Staates unter der serbischen Herrschaft werden sollte. Auch in Bosnien hätte Milosevic eine Zwangs- und Dauerversetzung von Nichtserben vorgehabt.
Etliche ehemalige Komplizen des Staatschefs – wie der frühere serbische Geheimpolizeichef Jovica Stanisic, dessen Stellvertreter Franko Simatovic, der kroatische Serbenführer Milan Martic, der serbische Ultranationalistenführer Vojislav Seselj oder der bosnisch-serbische Ex-Parlamentspräsident Momcilo Krajisnik – befinden sich nun im Gefängnis des UNO-Tribunals. Die zwei meistgesuchten Angeklagten, der ehemalige bosnisch-serbische Präsident Radovan Karadzic sowie dessen Militärchef Ratko Mladic, sind hingegen noch immer auf der Flucht.
Der Prozess gegen Milosevic musste zwölf Mal wegen gesundheitlichen Problemen des Angeklagten unterbrochen werden. Milosevic leidet an hohem Blutdruck, dazu kamen Erschöpfung und mehrere Grippe-Erkrankungen. In den vergangenen zwei Jahren konnte man auch wiederholt miterleben, wie Milosevic seine vermeintliche Gelassenheit und sein oft ironisches Lächeln nicht immer zu wahren vermochte. Während er zu Prozessbeginn mit seinen glänzenden Informationsquellen den Zeugen der Anklage stets einen Schritt voraus zu sein schien, ist dies inzwischen nicht mehr immer so.