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Vor 65 Jahren begann der Zweite Weltkrieg

Trotz des heißen Augusts 1939 hatten überall in Deutschland Männer ihre Uniformen angezogen. Doch nicht nach Kampf stand den älteren Herren der Sinn, sondern nach Parade. Im ganzen Land gedachte man am „Tag der Wehrmacht“.

Dem Ausbruch des Weltkrieges 25 Jahre zuvor – noch ahnte man nicht, dass man sie einmal nummerieren müsste. Doch während die ehemaligen Kriegsteilnehmer noch stolz ihre Orden zeigte, lagen die Söhne schon wieder in Stellung zu einem neuen Weltenbrand: Vor 65 Jahren, am 1. September 1939, begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg.

Nach den Vorstellungen Adolf Hitlers geschah das eine Woche zu spät. Eigentlich hatte die Wehrmacht schon am 26. August marschieren sollen, doch wegen der Unentschlossenheit des italienischen Verbündeten ließ der deutsche Diktator die Aktion anhalten. Vorausgegangen war die „Danzig-Krise“ um die seit 1919 deutsche Exklave in Polen. Systematisch steuerte Berlin in dem Streit auf Krieg zu. „Ich habe nur Angst, dass mir noch im letzten Moment irgendein Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt“, fürchtete Hitler. Ein angeblicher Überfall auf den Sender Gleiwitz – tatsächlich hatte die SS drei tote KZ-Häftlinge in polnische Uniformen gesteckt – war der letzte Vorwand: „Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen“, brüllte Hitler vor dem Reichstag.

Die internationale Politik konnte Polen nicht retten. Zu verworren war das Beziehungsgeflecht unter den Staaten, zu impotent der Völkerbund. Dem deutschen Drang nach Revision, dem japanischen Ehrgeiz nach Hegemonie in Asien und der sowjetischen Forderung nach Expansion konnte die Welt nichts entgegensetzen, schreibt der Historiker Klaus-Jürgen Müller. Aus purer Überforderung retteten sich London und Paris in eine Beschwichtigungspolitik (Appeasement) und ließen die Diktatoren gewähren.

Die Preisgabe der Tschechoslowakei 1938 in München beruhigte Hitler jedoch nicht, sondern entwickelte erst dessen „Weltherrschaftswahn“, sagt der Historiker Peter Steinbach. Der „Führer“ wähnte sich sicher: „Die Männer, die ich in München kennen gelernt habe, machen keinen neuen Weltkrieg.“

So läuft am 1. September der „Fall Weiߓ ab: Das Linienschiff „Schleswig-Holstein“ feuert auf polnische Stellungen bei Danzig, Bomber stürzen sich auf Weichselbrücken, Panzerkeile stoßen rasch nach Osten vor. 54 Divisionen mit 1,5 Millionen Soldaten überrennen den Nachbarn. Die Polen können gerade ein Drittel der 3200 deutschen Panzer und ein Fünftel der 1929 Flugzeuge aufbieten. Zudem sind Technik und Taktik veraltet: Vereinzelt widersetzt sich Kavallerie den deutschen Panzern.

Der „Blitzkrieg“ gelingt, schon am 27. September kapituliert das zerbombte Warschau. Paris und London haben Berlin zwar den Krieg erklärt, militärische Operationen beschränken sich aber auf die See. Zur Erschütterung der Welt fällt den Polen sogar noch der östliche Verbündete in den Rücken: Wie am 23. August im Hitler-Stalin-Pakt vereinbart, besetzen die Sowjets weite Teile Polens und später auch Estland, Lettland und Litauen. „Die Völker in Ost- und Mitteleuropa zahlen bis heute den Preis für die Kumpanei der beiden Diktatoren“, stellt der Historiker Steinbach fest.

Fast ganz Europa geriet in die Hände Hitlers. Ende 1941 begann auch Japan den Krieg gegen die Alliierten. Als der Zweite Weltkrieg nach sechs Jahren und einem Tag endete, hatte die Welt ein nie da gewesenes Inferno erlebt. Allein in Europa starben mehr als 19 Millionen Soldaten und fast 15 Millionen Zivilisten. Die ersten beiden Atombomben der Geschichte töteten Hunderttausende. Hinzu kamen neun Millionen Menschen, die in Lagern ermordet wurden oder an Hunger, Kälte oder Krankheit starben. Zu den Opfern gehören auch 9,5 Millionen nach Deutschland verschleppte Zwangsarbeiter, zwölf Millionen vertriebene Deutsche und Millionen Kriegsgefangene, die teilweise erst 1955, wenn sie denn überlebten, ihre Heimat wiedersahen.

Ein weiteres Opfer war die Alte Welt: Nach Jahrtausenden europäischer Dominanz bestimmten nun die USA und die Sowjetunion den Gang der Geschichte. Der Historiker Müller: „Der Zweite Weltkrieg gebar die bipolare Welt – Europa war endgültig keine globale Größe mehr.“

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