Auch die Bevölkerung war euphorisch, als Österreich an jenem Tag nach zweijährigen Beitrittsverhandlungen und einer Volksabstimmung gemeinsam mit Schweden und Finnland der Europäischen Union beitrat.
Mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft, die damit auf 15 Mitglieder anwuchs, wurde möglich, was lange unmöglich erschienen war: In Zeiten des Kalten Krieges hielten Österreichs Politiker einen Beitritt aus außenpolitischen und neutralitätsrechtlichen Gründen noch für undenkbar. Erst in den 80er Jahren wurde mit dem sich abzeichnenden Ende des Kalten Krieges ein Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft zum zentralen politischen Thema. Nachdem Außenminister Alois Mock 1989 den österreichischen Beitrittsantrag übergeben hatte, begannen 1993 die Beitrittsverhandlungen, die im März 1994 erfolgreich abgeschlossen wurden. Daraufhin sprachen sich die Österreicher in einer Volksabstimmung am 12. Juni mit Zwei-Drittel-Mehrheit klar für die Mitgliedschaft aus.
In den vergangenen 15 Jahren ist die EU-Euphorie einer pragmatischeren Haltung gewichen. Während die Österreicher zu den EU-kritischsten Bevölkerungen der Union zählen, wird die Mitgliedschaft von den Parlamentsparteien überwiegend positiv gesehen und nicht wirklich infrage gestellt. Während die Grünen ihre ablehnende Haltung gegenüber der EU unmittelbar nach der Volksabstimmung änderten und seitdem einen klar pro-europäischen Kurs fahren, ist die FPÖ eine EU-skeptische Partei geblieben.
Seit dem “historischen Datum” hat sich für Österreich tatsächlich viel getan: Neben dem Wegfall der Zollkontrollen, dem Zugang zu den Märkten der EU-Mitgliedstaaten und der Öffnung der Grenzen mit dem 1997 umgesetzten Schengen-Abkommen stellte die Einführung der neuen Gemeinschaftswährung Euro für die Österreicher die einschneidendsten Veränderungen ihres Alltags dar. Mit der Osterweiterung im Mai 2004 vergrößerte sich außerdem die EU von 15 auf 25, bzw. 2007 auf 27 Mitglieder. In den 15 Jahren hat Österreich bereits zweimal turnusmäßig für jeweils ein halbes Jahr den Ratsvorsitz der Europäischen Union geführt: 1998 und 2006.
Auch wenn so gut wie Konsens darüber herrscht, dass die positiven Effekte des österreichischen EU-Beitritt überwiegen, erregten die Reibungspunkte zwischen Wien und Brüssel in den vergangenen 15 Jahren weit mehr öffentliche Aufmerksamkeit: Tiefpunkt der Beziehungen zur EU stellten die Sanktionen gegen Österreich nach dem Antritt der schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 dar, die nach sieben Monaten und einem “Weisenbericht” wieder aufgehoben wurden. Für Spannungen mit Brüssel sorgten außerdem der Transitverkehr sowie die Gen- und Nukleartechnik.
Der Lkw-Verkehr durch Österreich stellte bereits in den Beitrittsverhandlungen die größte Hürde dar. Mit Transitvertrag, Ökopunkten und Lkw-Maut versuchte Österreich in dem jahrelangen Streit, den Lkw-Verkehr einzudämmen, die EU pochte dagegen auf den freien Warenverkehr. Auch bei der Einfuhr von gentechnisch veränderten Produkten musste Österreich schließlich nachgeben, nachdem es jahrelang deren Einfuhr verweigert hatte. Erhalten konnte Österreich bisher die Anbauverbote für die beiden Gentechnik-Maissorten “MON810” und “T25”, welche die EU-Kommission wiederholt auszuhebeln versuchte.
Im Streit um das umstrittene tschechische Atomkraftwerk Temelin dagegen schaltete sich Brüssel helfend ein und vermittelte ein bilaterales Abkommen zwischen Wien und Prag. Aktuell ist weiterhin der Streit zwischen Österreich und der EU über die Lockerung des Bankgeheimnisses.
Insbesondere die globale Wirtschafts- und Finanzkrise führte den Österreichern in den vergangenen Monaten die Vorteile der EU-Mitgliedschaft und deren gemeinsamen Währung vor Augen.