Vor 100 Jahren: "Bade-Unsitten" in Lochau

Baden gefährdet die “öffentliche Sittlichkeit” – davon waren im 19. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sowohl die Geistlichkeit als auch selbsternannte Sittlichkeitswächter überzeugt. Vor allem “gemeinsames Baden” galt als anstößig.
Im Sommer 1898 zählte ein eifriger “Beobachter” entlang der Bahnstrecke (heute: Pipeline) an manchen Abenden 40 Badende, die die Bahngeleise überquerten, die damit ihr Leben aufs Spiel setzten aber auch die “öffentliche Sittlichkeit” gefährdeten.
Ein anderer “Sittlichkeitsapostel” entrüstete sich, er habe, als er von Unterhochsteg nach Bregenz ging, gesehen, “wie Knaben und Mädchen ungeniert am Seegestade badeten. Da sollten die maßgebenden Faktoren entschieden einschreiten. Es sind ja Badeanstalten vorhanden.” (Sommer 1907)
Im August 1908 sprach die Gemeinde Hörbranz ein Badeverbot für Volksschüler unter 14 Jahren aus. Dieses Verbot galt sowohl für die Leiblach als auch für den Mühlbach (Werkskanal).
Gastwirt Loser zur Klause gab Anfang Juli 1911 “der geehrten Einwohnerschaft von Lochau und Umgebung” die Eröffnung seiner “Bade-Anstalt” bekannt.
Im Sommer 1911 eröffnete Georg Hauber, Eigentümer des Kaiser-Strand-Hotels, ein neues Badehaus mit Kabinen für Schwimmer und Nichtschwimmer. Von den Kabinen konnte man über steile Stiegen hinunter steigen -geschützt von einem senkrechten Lattenverschlag, den manche “Käfig” nannten – um sich unbeobachtet waschen zu können.
Bereits wenige Wochen nach Eröffnung des Strandhotel-Badehauses stellte man “Unzulänglichkeiten” fest: “Ganz offen sei gesagt: das Badewesen in Lochau beim Kaiser Strandhotel verdient entschieden Tadel. Häufig kommt es vor, dass Frauen bis hart an das Schiff heranschwimmen. Dieser Tage balgten sich drei Mannsbilder mit einem Frauenzimmer auf einem der beiden Ringe herum. Man sollte meinen, es sollte wenigstens – wenn nicht eigenes Schamgefühl – doch die Rücksicht auf die vielen beim Landungssteg herumtummelnden Kinder dies verbieten. (…) Die Regeln, die der gewöhnlichste Anstand gebietet, werden mancherorts einfach rücksichtslos außer Acht gelassen.” Ende August 1911 der nächste Vorfall: “Gestern erlaubten sich z.B. zirka ein Dutzend der Badenden – beiderlei Geschlechts – zum großen Hafenmolo (in Bregenz) herzuschwimmen und ans Ufer zu sitzen, um ein Sonnenbad zu nehmen. Das ist ein Skandal!”