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Von Männerhäusern und Japanern

Wer außergewöhnlich baut, sorgt für Gesprächsstoff. Tina und Günther Begle brachten mit ihrem Einfamilienhaus die Gerüchteküche in Lochau zum Brodeln.
Revolution um eine Kegelbahn

Schon in der Bauphase sorgte das Haus von Tina und Günther Begle in Lochau für Gesprächsstoff . Eine Kegelbahn oder ein Reitstall mutmaßten die Bewohner der Bodenseegemeinde. Und auch die Presse fand Anlass für Schlagzeilen. Genügend Stoff war vorhanden. De facto knapp 30 Meter. So lang ist das Gebäude und im Verhältnis relativ schmal. Und als dann der Bauherr, nachdem die Betonmauer auf der Nordseite stand, auch noch den Maurern verkündete, ihre Arbeit sei damit erledigt, brodelte die Gerüchteküche über.

Ein Gebäude mit nur einer einzigen Mauer, dass ist schließlich noch nie dagewesen. „Revoluzzer waren wir halt“, muss die 52-Jährige noch heute darüber schmunzeln. Klarheit bringt Begle erst in die Sache, als sie den Namen des Architekten verkündet: Carlo Baumschlager. Bekannt für außergewöhnliche Architektur rund um den Globus. Schon damals, in den Anfängen der Unternehmensgründung, setzte der Bruder der Bauherrin auf Zweckmäßigkeit und individuelle Vision. Das Grundstück liegt in Hanglage. Deshalb wurden Module aneinandergesetzt und wie Matadorklötzchen miteinander verbunden. Alle paar Meter, ähnlich wie bei einer Stiege, befi ndet sich eine Stufe, um den Höhenunterschied zu überwinden. Das Haus schlüpft so in den Hang hinein.

Wer im ersten Baukörper steht und den Blick nach hinten richtet, sieht also eine langgezogene Treppe vor sich, wie man sie von künstlich angelegten Wanderwegen kennt. Jedes Zimmer hat einen direkten Zugang zum Garten, wodurch sich die Bedeutung der grünen Oase für die Begles von selbst erklärt. „Im Sommer wohnen wir draußen“, erklärt die Stylistin. Aber auch im Winter ist die Natur zum Greifen nah. „Dann liegt der Schnee direkt vor der Schiebetür als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt“, setzt der Croupier fort.

Apropos Jahreszeit: Dementsprechend verändert Tina Begle auch das Wohnzimmer. Mit Blumen und Dekorationen, die ihr gerade in die Hände kommen. „I bin a Hüslare“, gibt sie lachend zu, „ich mache, bastle oder zaubere etwas, das mich freut.“ Überhaupt ist das Innenleben ein Sammelsurium aus Gegenständen und Geschichten. Zusammengetragen auf Flohmärkten, erstanden bei Geschäftsauflösungen oder gekauft im Designershop. Zu finden ist alles: Von Pappmaschee-Engeln angefangen über Rosenkerzenluster bis hin zum Zahnarztstuhl. „Die Leute werfen Sachen weg, in denen noch so viel steckt“, bedauert die kreative Vorarlbergerin, die immer auf der Jagd nach Besonderheiten ist. Ob ihr nicht eines Tages der Platz ausgeht. „Dann wir einfach ein Modul angedockt“, scherzt sie. Halt wie damals, als die Familie wuchs und mit ihr auch das Haus. Das ist eben der große Vorteil der Boxen.

So ergab es sich auch, dass Vater und Sohn ihr eigenes Männerhaus bekamen. Unmittelbar neben dem Wohngebäude befindet sich die Orangerie zur Überwinterung der Pflanzen. Darüber haben sich die beiden ein Arbeits- und Jugendzimmer eingerichtet. Die Begles wohnen gerne. Leidenschaftlich gerne. „Wir gehen nicht weg, sondern holen die Leute zu uns her“, so die zweifache Mutter und fast entschuldigend fügt sie hinzu: „Vor allem der Boden ist halt abgelebt.“ Ja, man sieht die Spuren, aber sind das nicht Lebensspuren, alle mit einem Stück Erinnerung behaftet.

 

DATEN und FAKTEN: 
Tina und Günther Begle mit Lee-Roy (20) und Nabé (14), Einfamilienhaus in Lochau
Baujahr: 1986
Architekt: Carlo Baumschlager
Nutzfläche: 300 m²
Grundstück: 909 m²
Energie: Geheizt wird ausschließlich mit dem schwedischen Ofen im Wohnzimmer. Durch die aufsteigende Bauweise verteilt sich die Wärme in alle Räume. Außerdem kann zusätzlich mit Strom geheizt werden.
Konstruktion: Bodenplatte, Keller und die Nordseite des Hauses sind aus Beton. Südseitig befinden sich Stahlsäulen. Die Holzteile des Wohnteils wurden abgelängt geliefert und an einem Tag mit vier Mann in Eigenleistung montiert. Jeder Raumteil hat einen direkten Ausgang zum Garten.
Buchvorschlag: Rita Bertolini – Innenleben Vorarlberg. Bregenz, Bertolini Verlag 2009

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