Von Legenden, Glocken und Rätschen

Herr Edwin Juen hat mir seinen Artikel mit dem Titel “Von Legenden, Glocken und Rätschen in Tschagguns” zur Veröffentlichung übermittelt. Herzlichen Dank an Herrn Juen für den Text und die acht Fotos, welche die heurigen Rätschner und Rätschnerinnen zeigen.
VON LEGENDEN, GLOCKEN UND RÄTSCHEN IN TSCHAGGUNS
Die Legende vom Osterhasen ist wohl unbestritten, aber es gibt Streithähne, die sich den Kopf darüber zerbrechen, wer oder was zuerst da war: die Henne oder das Ei. Denen sei es mit aller Deutlichkeit gesagt: Der Osterhase war es! Er brachte das erste Ei.
Eine weitere Legende – Eingeweihte wissen dies längst – rankt sich um unsere Kirchturmglocken. Diese fliegen alljährlich und klammheimlich während der Karwoche nach Rom. Dort werden sie frisch herausgeputzt, etwas nachgestimmt und gesegnet. Erst am Ende der Karwoche kehren sie an ihren seit 1950 angestammten Platz im Tschaggunser Kirchturm zurück. Während der Auferstehungsfeier in der Kirche verkünden sie dann mit besonders freudigem Geläute die Frohbotschaft von der Auferstehung Christi.
Während der Abwesenheit der Turmglocken verkündet eine straff organisierte Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit sehr laut knarrenden Holzinstrumenten die kirchlichen Termine: die Rätschner. Wurden zu früheren Zeiten die Rätschnerbuben aus dem “elitären” Kreis der Ministranten rekrutiert, so dürfen heutzutage alle, die guten Willens sind, mitmachen. Allgemeiner, in kirchlichen Belangen besonders drastischer Personalmangel ermöglichte in den letzten Jahren auch den Mädchen den Zugang zu dieser ehemaligen “Männerdomäne”. Womit einmal mehr bewiesen wäre: Nichts geht ohne die Frauen! Möge solcherart Einsicht bis zu den Kirchenobersten durchdringen. Wie den Bildern (im Fotoalbum, Anmerkung) zu entnehmen ist, stehen die Mädchen den Buben in nichts nach. Sie bestechen durch ihren energischen und kompetenten Einsatz und obendrein mit viel Charme.
Eine wahre Legende – bereits zu seinen Lebzeiten – war Hubert Stüttler. Unvergesslich bleibt sein segensreiches Wirken rund um die Rätschentradition. Er war über Jahrzehnte hinweg der “Übervater” aller Rätschner. Hubert baute, reparierte und betreute diese Instrumente mit viel Liebe und Fachkenntnis. Er hauchte diesen sensiblen und doch recht “lärmigen” Instrumenten gewissermaßen eine Seele ein. Hubert war der allseits verehrte “Rätschen-Täta”.Aber auch seine Nachfolger in dieser Tradition bemühen sich recht erfolgreich um die Weiterführung des Rätschenbrauchtums.
Nach einem gemeinsamen Auftritt aller Gruppen auf dem Kirchplatz trennen sich diese und ziehen mit ihren Kommandanten lautstark rätschend durchs Dorf. So mancher kleine Rätschenbub konnte sich im Verlauf der Jahre bis zum Kommandanten empor arbeiten. Dieses ehrenvolle Amt setzt voraus, dass man es von der “Pike” auf erlernt. Der “Kapo” gibt die Termine und Einsätze bekannt und wacht mit Argusaugen darüber, dass die quirlige Truppe die strenge Aufstellungsformation einhält. Von den Mitgliedern der Rätschengruppen wird absolutes Taktgefühl, Teamgeist, Einsatzfreudigkeit und Kameradschaft gefordert. Alle diese Eigenschaften sind bei der Tschaggunser Rätschengruppe offensichtlich.
Mögen diese jungen Menschen weiterhin mit so viel Begeisterung ihren Einsatz in der Karwoche bewältigen. Ihnen und allen, die hinter den Kulissen der Rätschenszene mitarbeiten, gebührt unser Dank und unsere Anerkennung und ein herzliches “Vergelt´s Gott”!
Edwin Juen