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Von jetzt an kein Zurück - Trailer und Kritik zum Film

Das Jahr 1968 wird im Film gerne bunt und revolutionär gezeichnet, mit Beatmusik unterlegt und Aufbruchsstimmung durchzogen. Regisseur Christian Frosch erzählt eine andere Geschichte.

Mit “Von jetzt an kein Zurück” inszeniert er eine tragische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund erst spät aufgearbeiteter Heimskandale in der westdeutschen Provinz der 60er-Jahre. Ab Freitag im Kino.

Von jetzt an kein Zurück  – Die Geschichte

Beatmusik, Drogen und Vespas: Martin (Anton Spieker) und Rosemarie (Victoria Schulz), die sich in Anlehnung an die Rolling Stones Ruby nennt, sind jung, verliebt und voller Träume. Während Martin Arthur Rimbaud nacheifert und Schriftsteller werden will, träumt Ruby von einer Karriere als Sängerin. Doch hier, in der westdeutschen Provinz der späten Sechziger, wo die Schule einem sämtliche Ideale austreibt und die eigenen Väter von Kriegstraumata gelähmt den Bezug zu ihren Kindern verloren haben, wird daraus nichts. Also wollen sie weg, nach Berlin.

Doch die Flucht misslingt, und die Konsequenzen sind schwerwiegend: Ruby wird in das geschlossene katholische Heim bei den Barmherzigen Schwestern, Martin in die Bewahranstalt Freistaat geschickt. Hier wie dort wird ihnen ihr Individualismus mit körperlicher und psychischer Gewalt ausgetrieben. Jahre später, Ende der 70er-Jahre, treffen sie einander wieder, und stellen fest, dass die Vergangenheit noch allgegenwärtig ist: Ruby, augenscheinlich erfolgreiche Schlagersängerin, hat eine Essstörung und ein Suchtproblem. Und Martin, der einst Gewalt immer ablehnte, ist im Untergrund der RAF, sagt: “Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht.”

Von jetzt an kein Zurück  – Die Kritik

Rund 800.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland sowie 100.000 in Österreich waren ab Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 70er-Jahre hinein in kirchlichen und staatlichen Erziehungsheimen körperlicher und seelischer Gewalt ausgesetzt. Die Aufarbeitung kam spät, in Deutschland wurde sie erst durch das Buch “Schläge im Namen des Herrn” (2006) von Peter Wensierski vorangetrieben. Auch Christian Frosch beschäftigte sich über lange Zeit mit den deutschen Heimskandalen, führte Dutzende Interviews mit ehemaligen Heimkindern. Sein Anliegen, so sagte er im APA-Interview, war es, keine reine Heimgeschichte, sondern das vorher und nachher zu erzählen, die Narben der Kriegsgeneration ebenso zu zeigen wie die Traumata der Heimkinder.

In drei Teile ist “Von jetzt an kein Zurück” gegliedert: Mit schwarz-weißen Bildern und in spürbar häuslicher Enge zeichnet Frosch erst den Clash der vom Krieg gebrandmarkten Generation mit den jungen Aufständischen, dann die systemische Gewalt in den beiden Erziehungsheimen. Während vieles – wie etwa sexueller Missbrauch – nur angedeutet bleibt, zeigt Frosch kleine Momente der Demütigung stellvertretend in schmerzhafter Länge: Etwa, wenn Ruby von einer Nonne zum Aufessen gezwungen wird – was den von ihr erbrochenen Brei miteinschließt. Mit einer Zäsur geht der Film in sein letztes Drittel: Verzerrter Ton und ein knallroter Bildschirm schießen dann eindrucksvoll in die schwarz-weiße Bilderwelt, zeigen Ruby und Martin zehn Jahre später, in Farbe, während schwarz-weiße Rückblenden suggerieren, dass sie ihrer Vergangenheit nie entkommen konnten.

Es ist ambitioniert, was der gebürtige Niederösterreicher Frosch hier versucht, erinnert stellenweise an seine Anfänge als Experimentalfilmemacher, an Fassbinder oder auch an Michael Hanekes “Das weiße Band” – vor allem in der Person von Rubys repressivem, sich ungut zu seiner Tochter hingezogenen Vater (etwas hölzern gespielt von Ben Becker). Ein stimmiges Gesamtbild aber will ihm nicht so ganz gelingen, wissen doch nur die Neuentdeckungen Victoria Schulz und Anton Spieker in einem riesigen Cast (darunter Erni Mangold als Oberin) mit Natürlichkeit zu überzeugen. Allein jene spürbar räumliche wie geistige Enge im Heim, die Kameramann Frank Amann in nachhaltig bewegenden Bildern einzufangen vermag, ist “Von jetzt an kein Zurück” aber wert.

(APA)

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