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Von Gas zu Öl: Viele offene Fragen aus Industriesicht

Bei der Umstellung von Gas zu Öl gibt es einige offene Fragen.
Bei der Umstellung von Gas zu Öl gibt es einige offene Fragen. ©APA/GEORG HOCHMUTH (Symbolbild)
Bei der Umstellung von Gas zu Öl gibt es aus Industriesicht noch einige offene Fragen. Grundsätzlich können die energieintensiven Branchen mit einer Umstellung leben, denn sie wissen dass die Lage schwierig werden könnte.

Es fehle ein Gesamtkonzept, heißt es aus der Chemiebranche. IV und WKÖ forderten auch umgehend öffentliche finanzielle Unterstützung für die Betriebe. Zudem gebe es viele Firmen, die nicht umrüsten könnten. Ein Experte sieht indes ein Gas-Sparpotenzial von etwa 15 Prozent in der Industrie.
Die Regierung wiederum versprach heute, künftig umfassend zur Lage mit der Gasversorgung zu informieren.

Viele offene Fragen aus Industriesicht bezüglich Gas-Umstellung zu Öl

"Wir alle sind uns bewusst dass es möglicherweise zu einem sehr schwierigen Herbst- und Winterszenario kommen kann", sagte Max Oberhumer von Sappi-Papier in Gratkorn in der Steiermark im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch. "Daher ist aus meiner Sicht jede Maßnahme, die von der technischen Möglichkeit her gegeben ist, um hier kurzfristig entgegenzuwirken, sinnvoll und sehr zu begrüßen."

Politik habe Ernst der Lage erkannt

Die Politik habe den Ernst der Lage erkannt, so Silvia Hofinger von der Sparte Chemie Wirtschaftskammer (WKÖ). Aber wie Oberhumer fehlt auch ihr ein Gesamtkonzept und belastbares Mengengerüst gerade wenn es um die Alternative Öl geht. "Wie viel Heizöl wird denn dann benötigt, wie viele von den in Österreich eingespeicherten Gasvorräte sind wirklich für österreichische Endkunden bestimmt und wie kann man sicherstellen dass auch ausreichende Mengen vom verfügbaren Gas in Österreich verbleiben werden", fragte sie im "Morgenjournal" in Richtung Bundesregierung.

Rohstoffbeschaffung ebenfalls noch offen

Offen sei auch, wie die Unternehmen überhaupt zu den Rohstoffen kommen und wie die Regierung mit den zusätzlichen Schadstoffen und CO2-Zertifikaten umgehen will. Jedenfalls brauche es Kompensation für die Umrüstung und die entstehenden Kosten, so Hofinger. Da gehe es um einmalige Kosten und um höhere Kosten im laufenden Betrieb. "Und da brauchen die Unternehmen entsprechende Unterstützungen."

Kasachstan ist Österreichs größter Eröllieferant

Die Frage wie die Unternehmen an die Rohstoffe gelangen, ist bezogen auf Öl aktuell nicht einfacher zu beantworten geworden: Ein für den Export von kasachischem Öl bestimmtes Terminal im Schwarzen Meer muss auf Beschluss eines Gerichts in Südrussland für 30 Tage seinen Betrieb einstellen, wie die Nachrichtenagentur Interfax in der Nacht zum Mittwoch berichtete. Zuletzt hatte es zwischen Russland und der benachbarten zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik Kasachstan wegen des Ukrainekriegs Unstimmigkeiten gegeben. Kasachstan ist Österreichs größter Erdöllieferant.

Boltz hält Vorgehensweise mit Verordnung für richtig

Mit einer Verordnung vorzugehen hält Walter Boltz, der frühere Chef der E-Control, für richtig. "Wichtig ist, dass die Regeln sehr transparent und klar sind und natürlich dass das Gas, das nicht verbraucht wird, auch für österreichische Kunden irgendwo eingespeichert und zur Verfügung gehalten wird und nicht ins Ausland verkauft wird." Das Sparpotenzial in der Industrie könne geschätzt bei 15 Prozent liegen, das wären 5 Prozent des Gesamtverbrauchs. "Durchaus ein relevanter Betrag."

Regierung kündigte Informationsoffensive an

Die Regierung hat ihrerseits heute, nachdem ihr wochenlang Intransparenz und Untätigkeit in der Energiekrise vorgeworfen worden war, eine Informationsoffensive angekündigt. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine habe zu sehr viel Unsicherheit in der Bevölkerung geführt, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat. Daher sei an die zuständigen Ministerien der Auftrag ergangen, die Öffentlichkeit regelmäßig zu informieren. Die Alarmstufe wird aber vorerst weiter nicht ausgerufen.

"Schwere Zeiten" laut Nehammer

"Es sind tatsächlich herausfordernde Zeiten", meinte Nehammer, und man wolle als Bundesregierung Sicherheit und Zuversicht geben. Energie werde von Russland als "Mittel der Kriegsführung" eingesetzt, kritisierte Nehammer bei einem gemeinsamen Auftritt mit Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP). Es handle sich um "Angstkampagnen vonseiten der Russischen Föderation". Dies führe zu sehr viel Unsicherheit in der Bevölkerung. Um dieser "Angstmache" entgegen zu wirken, seien das Energieministerium, das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium aufgerufen, regelmäßig zu informieren, unter anderem zur Gasbevorratung und -diversifizierung, zu Infrastrukturprojekten, der Beschaffung auf europäischer Ebene und Schritten bei möglichen Lieferausfällen.

Harsche Kritik von der FPÖ an der Bundesregierung

Harsche Kritik an der Bundesregierung kam von der FPÖ, die vor allem Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher angriff (ÖVP). Gewessler bekam Häme dafür ab, dass sie als Grüne nun wieder auf Kohle und Öl setze. Die Umstellung brauche Jahre, zahlen müsse der Steuerzahler, so der freiheitliche Verkehrssprecher Christian Hafenecker. Er fragte sich auch, ob Gewessler sich an die Kampagne ihres eigenen Klimaschutzministeriums "Raus aus Öl und Gas" erinnere. "Sollen Hausbesitzer jetzt von Gas auf Öl umrüsten, nachdem sie sich zuvor Förderungen abgeholt und ihre alten Öl-Heizungen entsorgt haben, die sie bald wieder beim Schrotthändler zurückkaufen müssen?", spottete der Blaue.

NEOS begrüßt Kommunikation auf Augenhöhe

Die NEOS begrüßten bezüglich der angekündigten Info-Offensive zwar, dass die Regierung endlich "klar und auf Augenhöhe kommuniziert - mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Unternehmen und der Industrie - und über die aktuellen Geschehnisse informiert". Energiesprecherin Karin Doppelbauer kritisierte aber gleichzeitig, dass "es doch einigermaßen verwunderlich ist, dass ÖVP und Grüne erst gestern im Nationalen Sicherheitsrat einen NEOS-Antrag für mehr Transparenz bei der Gasversorgung abgelehnt haben". Die Regierung müsse "alle Betroffenen bei wichtigen Entscheidungen bereits im Vorfeld mit ins Boot holen und Ergebnisse nicht erst im Nachhinein häppchenweise in Pressekonferenzen verlautbaren".

(APA/Red)

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