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Vom Hüter im Teilchenzoo zum Herrn der Ringe

Dornbirn - Als 1953 zwölf Europäische Staaten den Bau eines Kernforschungszentrums namens CERN bei Genf beschlossen, war er gerade 19 Jahre alt. 1964 bezog Dietrich Bloess hier sein erstes Büro. Und blieb. 35 Jahre lang.

Dietrich Bloess ist Physiker. Beim CERN war er aus dem Stand im Olymp gelandet. So ein bescheidener Mann. Seit Jahren lebt er großteils in Dornbirn. Meist lächelt er sanft. Wie ein Gärtner, der Zuneigung zu Blüten im Herzen trägt. Dabei hat Bloess das Objekt seiner Leidenschaft nie zu Gesicht bekommen. Quarks sieht man nicht. Oder doch?

Noch viel, viel kleiner

Bloess deutet auf ein Mik­roskop. „Es macht ein Tausendstelmillimeter“ sichtbar: Einzeller, Bakterien usw. Der Laie staunt. Physikern dagegen reicht das nie. Die würden auch das Elektronenmikroskop in die Ecke stellen. Nanostrukturen? Viel zu groß! Denn selbst der Atomkern, „nur ein Tausendstel von einem Milliardstelmillimeter groߓ, ist entgegen seinem Namen noch in Neutronen und Protonen teilbar. Die wieder bestehen aus Quarks und die . . . Es dauerte nicht lang, bis Hochenergiephysikern Spott entgegenschlug: „Ach ihr mit eurem Teilchenzoo!“ Sie aber blieben unbeirrt den kleinsten Bausteinen der Welt auf der Spur, und nun wollen sie demnächst alle gefunden haben. Bloess hat sein Teil dazu beigetragen. Vier Berufsjahre hat er das riesige Nachweisgerät „Atlas“ mitentwickelt. Bald werden in dessen Inneren Protonen, die beinahe so schnell wie das Licht im Kreis dahinrasen, aufeinanderprallen. Tief in der Erde, unbeirrt vom Genfer Großstadtgetriebe. Dafür haben sie 27 km lange Tunnel gegraben. Der weltgrößte Detektor „Atlas“ würde gut die halbe Kathedrale Notre Dame in Paris ausfüllen, der schwerste, „Alice“, wiegt mehr als der Eiffelturm. Was diese Nachweisgeräte an Daten liefern, füllte pro Sekunde locker 100.000 CDs. Also haben die Wissenschafter Filter gebaut. 5000 der weltweit leistungsfähigsten Computer verarbeiten im Hintergrund, was übrig bleibt. Was werden sie finden? Dieter Bloess lächelt. „Ich weiß es nicht.“ Den Schlüssel zum Bauplan der Welt? Oder nichts? Und wenn die erhofften Ergebnisse ganz ausbleiben? Da blinzelt Dieter Bloess aus lebhaften Augen: „Dann wird es erst wirklich spannend!“

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